Donnerstag, 5. Dezember 2013

3 Fragen ✔




Blogstöckchen


Dein schönstes Kindergebet, der schlimmste Vers im Glaubensbekenntnis?

Das ist eine merkwürdige Frage, deren Genese ich nicht so recht entschlüsseln kann: Vermittelt sie doch den Eindruck, dass Kindergebete schön gemütlich sind, während es im Glaubensbekenntnis „schlimm“ zur Sache geht.
An die Kindergebete erinnere ich mich kaum, ich mochte dieses Ritual nicht besonders. Eine Ausnahme gab es: Wenn meine Eltern nicht da waren und Oma oder Tante mich zu Bett brachten, war das Abendgebet etwas Vertrautes. Im Kleinkindalter hing ich sehr an meinen Eltern, und wenn das Cello im Flur stand, wusste ich: Es war wieder ein Musikabend angesagt, meine Mutter machte sich bereits schick und würde mich also in Kürze „verlassen“, mein Vater sowieso, weil er das Orchester leitete. Dann schmollte ich und konnte meine Betreuerinnen schon deshalb nicht leiden, weil sie meine Eltern gewissermaßen ersetzen sollten, was ihnen aber natürlich unmöglich war.

Mit Oma Marie versöhnte ich mich dann aber doch irgendwann. Sie bevorzugte meistens die erste Strophe des Brahmsschen Wiegenliedes:

Guten Abend, gute Nacht,
mit Rosen bedacht,
mit Näglein besteckt
schlupf unter die Deck.
Morgen früh, wenn Gott will,
wirst du wieder geweckt.

Das fand ich spannend, besonders wegen der „Näglein“. Man erklärte mir zwar, dass damit Nelken gemeint seien, aber es hieß ja nun mal Näglein. Auch das „schlupf“ fand ich komisch. Die Frage, ob Gott will oder eben irgendwann nicht mehr will, dass ich am kommenden Tag geweckt werde, stellte ich mir nicht (das tue ich erst heute). Allerdings war es schon interessant zu wissen, dass man als Mensch nicht unbedingt Einfluss auf alles hat: Die Natur, die Pflanzen, die Tiere, die Jahreszeiten waren einfach, ganz ohne unser Zutun.

Irgendwann konnte ich meine Mutter dazu bringen, die Kindergebete ad acta zu legen, das freie Gebet war angesagt, und zwar allein. Es wurde ein allabendlicher Wunschzettel, der vermutlich an Skurrilität kaum zu überbieten war – was eben Vier- oder Fünfjährige so verhackstücken. Die Bitte, meine Eltern noch lange leben zu lassen, wurde gekoppelt mit einem „Lass meine Mutter nicht erfahren, dass…“. Höchste Gewissensnöte brachte mir folgender Vorfall: Meine Eltern waren tagsüber nicht da, meine 19-jährige Tante hatte Kinderdienst. Wir wollten einen Spaziergang machen oder einkaufen gehen, ich flötete „Ich geh schon mal raus vor die Tür“. Dort traf ich meine Sandkastenfreundin Susi, die mich gleich mitnahm ins überübernächste Nachbarhaus, um mir frisch geschlüpfte Hühnerküken zu zeigen. Mit dem Gedanken, dass ich ja in Windeseile zurücksein würde, lief ich also mit, ohne mich abzumelden. Für meine Tante war es natürlich ein Riesenschock, da mich aus ihrer Sicht der Erdboden innerhalb weniger Minuten spurlos verschluckt hatte. Es war nicht richtig, das sah ich ein – und betete inbrünstig gegen das Donnerwetter meiner Eltern. Es ließ sich tatsächlich ertragen.

Gegen das Glaubensbekenntnis hatte ich früher gar nichts, denn es war ja etwas „Richtiges“ und kein Kinderkram. Heute ist es – das apostolische – mir nicht so sympathisch, ich lese es als eine Art trockene Bilanz ohne die literarisch-starken Bilder, die ich heute hin und wieder der Bibel entnehmen kann. Am wenigsten mag ich die Stelle „… von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“. Das ist mir so zu brutal formuliert. Wo ist im Glaubensbekenntnis die Liebe? Am ehesten noch in der Schöpfung am Anfang und in der Gemeinschaft der Heiligen gegen Schluss. Diese Gemeinschaft der Heiligen hat mich früh fasziniert, viel mehr als jedes Kindergebet, ich meinte immer zu spüren, wie sie mir auf die Schulter tippen und mich dabei haben wollen. Und es war mir klar: Es müssen ganz, ganz viele sein.
Das nizänische Glaubensbekenntnis halte ich für ungleich stärker. Da ist auch das Richten der Lebenden und der Toten ganz anders eingebettet. Zwar ist auch dort wenig bis gar nicht von der christlichen Liebe die Rede, aber da die Sprache spiritueller ist, bekommt man wenigstens eine Ahnung des Göttlichen mit.



Was würdest Du als Päpstin oder Kirchenpräsident als erstes tun?

Wenn ich Päpstin werden könnte, dann wäre zwar ein wichtiger Schritt – Frauen in hohen kirchlichen Ämtern, sogar im allerhöchsten – erfreulicherweise getan. Aber die Tatsache, dass sie mich wählen müssten, wäre ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Kirchen wahrhaftig am Stock gehen: Ich wäre absolut ungeeignet.



Sollte sich die Kirche in der Tat mehr „Beulen“ holen?

Ich meine nicht, dass sie es „soll“, denn Beulen sind nicht konstruktiv. Aber sie wird nicht drumherum kommen, hin und wieder Blessuren einstecken zu müssen: Denn gesellschaftlich ist viel zu beackern, und nicht jedem gefällt das im einzelnen. Mich wundert, dass Kirche nicht viel mehr, also lauter gegen eine stärker werdende autoritäre Stimmung angeht, die immer wieder mit ach so vernünftigen Argumenten daherkommt. Da wird einfach was um-definiert: Wenn ich schon höre Altersvorsorge… klingt nach Vernunft, nach dieser Geschichte vom Eichhörnchen, das für den Winter vorsorgt, im Gegensatz zu irgendeinem anderen Tierchen, das einfach nur lebt und nicht an den Winter denkt und schließlich nach dem Prinzip selbst schuld Not leiden muss. Tja nun… dabei hatte man uns doch früher mal glauben (!) gemacht, dass Arbeiten die Altersvorsorge schlechthin ist. Das war naiv. Jetzt ist unser Leben ein einziges Vor-Sorgen: „Wie willst du denn mal… wenn du jetzt nicht… ?“ Gibt es nicht sogar Bibelstellen als Gegenkraft dazu? Bevor wir uns zu Tode sorgen: Kirche, zeige deine Stärken und geh gegenan. Aber du bist zur Zeit ja ziemlich mit deiner eigenen Vorsorge beschäftigt. Leider. 



Das Stöckchen mit den Fragen wurde mir zugeworfen von Wilfried.








2 Kommentare:

Dania hat gesagt…

bei dem wiegenlied handelt es sich eigentlich um ein totenlied und das wiedergeweckt werden bezieht sich auf die auferstehung. es stammt aus einer zeit, da kindstot zum alltag gehörte. die nägel sind tatsächlich dann auch die sargnägel und keine nelken und das rosendach der sargschmuck... als kind hörte ich das lied gerne. zu hinterfragen begann ich es erst, als ich es meinem sohn vorgesungen habe. und prompt kam von ihm die frage, wieso gott ihn womöglich nicht aufwecken würde wollen. es hat ihm angst gemacht und wir haben lange dran gearbeitet, dass er wieder ohne angst schlafen ging. nie wieder haben wir das lied für ihn gesungen...

lieben gruß
dania

Marlies Blauth hat gesagt…

Danke sehr für die Informationen! Hier http://de.wikipedia.org/wiki/Guten_Abend,_gut%E2%80%99_Nacht scheint das allerdings nicht so eindeutig zu sein.