Freitag, 20. März 2015

Atelier















Nein, heute mal nicht in Glossen-Laune. Ich bade gerade, ungern, in einem Schwall warmer Worte – „Tut uns leid“, „Wo eine Tür zugeht, geht eine andere auf“, „Positiv denken!“ (das musste ja kommen), „Ist mir auch schon so gegangen, versteh‘ ich“.

Mein Atelierraum, den ich gerade mal 12 Monate nutzen konnte, ist mir gekündigt worden.

Die meisten Jahrzehnte meines Lebens habe ich irgendwie/ irgendwo künstlerisch gearbeitet, meine frühere winzige Wohnung war komplett zum Atelier mit Schlaf- und Essecke mutiert. Im Improvisieren bin ich ganz gut, aber der Zustand „geht eigentlich so nicht mehr“ ist nicht besonders schön, weil einem dann eben nichts mehr eingefallen ist.

Dann bekam ich, welch Fortschritt, eine ehemalige Wohnküche als Atelierraum. Auch jetzt habe ich die noch zur Verfügung. Aber sie ist für professionelle Arbeit zu klein, so dass ich mich über viele Jahre auch wieder gleichsam „zusammenfalten“ musste beim Malen.

Wie schön war es also, dann doch mal ein recht günstiges größeres Atelier in der Nähe angeboten zu bekommen. Von der Stadt, der Stadt, in der ich nun seit etwa 20 Jahren lebe. Ich nahm das Angebot an, nicht ohne mehrere Nächte über der Entscheidung zu schlafen, zu träumen und auch skeptisch zu sein: Was ist, wenn man dann doch wieder raus muss? Passt das in den eigenen Lebensplan? („Unke“, sagte meine Mama immer). Man beruhigte mich, na-hein, keine Gefahr. Irgendwie klang alles ganz prima nach einer Künstlerförderung – die ich von „meiner“ Stadt noch kaum kannte. Und eigentlich war es bisher auch nie so richtig meine Stadt gewesen, diese fünf Dörfer, in denen alles irgendwie klein ist (wie meine langjährige Atelierküche), auch die kulturellen Projekte, das Interesse für die einheimischen Künstler. Meine größeren „Auftritte“ fanden alle woanders statt, siehe Vita. Sollte meine künstlerische Seele nun doch endlich ihren Nestbau – hier – starten können?

Wir bezogen also zu viert die Atelierräume, ich teilte meinen Platz mit meinem Sohn, der sich – von seinem Taschengeld – ein kleines Video-Studio eingerichtet hat. Das war zwar nun auch wieder improvisiert, vor lauter Grün der Greenscreen war der Raum irgendwie gleich vermurkst, aber egal. Ich hatte jedenfalls: Platz – und kaufte munter Leinwände, endlich mal ohne zu überlegen, wo ich sie lagern soll. Die Arbeit pendelte sich ein: Zeichnen im großen Atelier, Malen-Matschen wie gehabt in der alten Küche. Jetzt konnte auch wieder Atelierbesuch kommen und „Bilder gucken“, wir führten ganz schöne Gespräche, es entwickelten sich kooperative Projekte mit den Kollegen, kurz: es wuchs. Und just nachdem ich mich zufrieden zurück lehnte und dachte: „Wir haben hier doch eigentlich Glück“ – wurde uns die Kündigung zugestellt: Eigenbedarf. Ich kenne die Hintergründe und finde sie auch verständlich; nur stehen wir (Künstler) bald im Regen und können, wie's aussieht, nicht auf das kleinste Bisschen Unterstützung hoffen.

Ja, meine Skepsis am Anfang … ich bin eine Unke und bleibe eine. Nun haben wir also Material und Ausstattung erworben – und wissen nicht wohin. Beim Wort „Sperrmüll“ zieht sich die Seele zusammen. Verschenken gegen eine Spende? Alles im Wohnzimmer zwischenlagern, bis sich „etwas findet“? Nun, dafür gibt es prima Umschreibungen: „ … bis der Arzt kommt“, „ … bis in alle Ewigkeit“, „ … auf Godot“ … denn hier im Dorf gibt es – nichts. Eigenheime, Wohnungen, denn im Grunde sind wir ja so was wie ein (Schlaf-)Vorort von Düsseldorf. Das wiederum fast überquillt von Künstlern, da braucht man uns eher nicht. Hier gibt es ein paar Läden, ja, auch leere, wie überall; aber für ein paar Quadratmeter Düsternis einige hundert Euro monatlich zahlen? Und für nettere Quadratmeter entsprechend mehr? Es werden auch Räume angeboten, die gleichsam danach rufen, Atelier zu werden. Aber 300 m² groß? Wer hat das Geld dafür? Vor allem, wenn ein Parkettboden drin ist, auf den wir auch noch aufpassen müssten.

Schon jetzt habe ich die Faxen dicke, mich auf eine Suche zu begeben, die man genausogut lassen könnte. Bezahlbar wäre vielleicht ein Kellerraum, in den aber Ansgars Greenscreen nicht hineinpasst. (In unser Haus, ein altes Landarbeiterhäuschen, übrigens auch nicht).

Und während ich hier schreibe, bekomme ich ein Angebot. Aber auch das scheint Unwirtlichkeit für relativ viel Geld zu sein. Und es wurde auch nicht von unserem „Rausschmeißer“ vermittelt. Ich meine ja immer noch, ein bisschen Kunst- und Künstlerfreundlichkeit stünde *meiner* Stadt gut zu Gesicht. Denn wir Kulturschaffenden sind wichtig, selbst für eine Stadt, die aus Dörfern besteht und viel Acker hat. Wo jeder irgendwie mit jedem über sieben Ecken verbunden ist, ständig. Dennoch ist das dörfliche Netzwerk wohl nicht mehr aktiv. Sonst gäbe es viel mehr Resonanz, zumal unser „Fall“ heute in der Zeitung steht. 

Man schaut wie in einen Spiegel, hinein in die eigene Un-Wichtigkeit, die demnächst unter Gebirgen aus Bildern verschwinden wird. Traurig. Engagement, Unterstützung von wirklich an Kunst und Künstlern Interessierten könnte aus diesem Zustand heraushelfen. Aber im Moment sehe ich einige Bilder tatsächlich als Geschenk weggehen, einige auf dem Sperrmüll – und den Rest zusammengeschoben im Wohnzimmer.




Marlies Blauth









1 Kommentar:

Lucia hat gesagt…

Bilder auf den Sperrmüll - das lies mich zusammen zucken. Bitte nicht, auch wenn ich deinen Frust verstehe. Dann stifte sie lieber deiner kunstliebenden Stadt.
Viele Grüße von Lucia