Sonntag, 26. März 2023

Zum Thema *Farbe*

 






Zum Nachlesen: Mein Kurzvortrag als II. Teil der Predigt zum Thema Farben.

Feministischer Gottesdienst in St. Marien, Dortmund, am 26.3.2023

 


Einige Farbsprenkel – darunter ein paar biografische


Licht. Eine geheimnisvolle, ja göttliche Energie.

Wenn wir etwas „bei Licht besehen“, schauen wir ganz genau hin.

Und: Licht macht Farben sichtbar. Ist die Beleuchtung zu schwach, sieht man nur Grau. Graue, farblose Zeiten sind aber nichts, was wir haben wollen.

Wir schenken uns Blumen oder packen Geschenke in farbiges Papier, um das Alltagsgrau wegzufärben.

Licht, Farbe ist Lebensbejahung – gegen trübe Zeiten und dunkle Ängste.

Die Farben – oder genauer: Die Farbpigmente, also die farbgebenden Materialien, reflektieren oder absorbieren das einfallende Licht in unterschiedlicher Weise. Weiß lässt das Licht fast vollständig zurückstrahlen, während Schwarz es geradezu „schluckt“. Die anderen Farben nehmen einen Teil des Lichts auf und reflektieren den Rest.

Es gibt Millionen von Farbnuancen, die wir tatsächlich auch unterscheiden können.

Die Wahrnehmung des farbigen Alltags ist allerdings – scheinbar – so selbstverständlich, dass wir oft nicht genau hinsehen; zur Verständigung reichen eigentlich die Namen der Grundfarben.

Anders ist es, wenn wir etwas Farbiges auswählen, sei es ein Kleidungsstück oder etwas für die Wohnung. Dann wird deutlich, dass Grün nicht gleich Grün ist und sogar Schwarz in vielen Ausprägungen vorkommt. Wir erkennen dabei auch, dass verschiedene Materialien, verschiedene Oberflächen in ihrer Farbigkeit unterschiedlich wirken. Es gibt genormte Farben, und trotz gleicher Farbnummer sehen sie – je nach Untergrund – ungleich aus.

Auch Farbveränderungen lassen sich wahrnehmen. In der Dämmerung ziehen sich die Farben zurück, werden grau, und es gibt Besonderheiten: Rottöne werden plötzlich dunkel, während sich Grüntöne aufhellen. Eine rätselhafte Welt am Abend!

Manchmal sorgt unser Gehirn aber auch für eine scheinbare Konstanz: Obwohl eine Orange im gleißenden Sonnenlicht heller ist als ein weißes Blatt Papier im warmen Kunstlicht, sehen wir immer den Zusammenhang mit und bleiben beim Apfelsinen-Orange und beim Papierweiß.

Es gibt also einen Dialog der Farben. Wie in der Literatur gilt der Kontext, wie in der Musik der Zusammenklang – hier: der Farben. Sie können einander verstärken, einen wunderbaren „Chor“ bilden; sie können sich aber auch gegenseitig hässlich aussehen lassen, stumpf oder blass. Leuchtende Farben empfinden wir in kleiner Dosis als fröhlich und lebendig, auf größeren Flächen vielfach als „quietschbunt“ und aufdringlich.

In der Welt der Farben wird – überhaupt – nicht mit Adjektiven gespart: Wir sprechen von warmen und kalten, von zarten und starken, von düsteren und freundlichen Farben. Das kommt daher, dass sie direkt auf uns einwirken – sie schaffen eine Atmosphäre, beeinflussen unser Temperaturempfinden und können sogar auf Gesundheit und Krankheit Einfluss nehmen: So konnte der Architekt und Farbforscher Axel Buether eine Krankenhausstation farblich so gestalten, dass sich sogar der Einsatz bestimmter Medikamente deutlich reduzieren ließ.

Ich erinnere mich – und jetzt wird es biografisch –, wie ich als Schülerin bemerkte, in bestimmten Farben besser oder anders „denken“ zu können. Für naturwissenschaftliche Fächer, insbesondere Chemie, musste mein taubenblauer Pullover her. Damals galt das noch als ziemlich schräg, heute bestätigt die Forschung solche Erfahrungen. Dazu gehört aber auch, was einige dann doch kennen: dass sich jemand „mit einer Farbe nicht wohl fühlt“ – und das, obwohl man von der Kleidung, die man trägt, ja immer nur einen Teil selbst sieht. Mit der Frage nach der Lieblingsfarbe hat dieses Missempfinden nicht unbedingt zu tun, und andere Menschen mögen die Farbe sogar als höchst passend und kleidsam wahrnehmen.

Ein interessantes Phänomen ist auch die Farbperspektive: Farbe allein kann den Eindruck von Räumlichkeit, Raumtiefe erzeugen. Was die Kunst vielfach nutzt, kann man in der Realität besonders gut bei dunstigem Schönwetter sehen: Je weiter man in den Hintergrund blickt, desto heller und blau(grau)er erscheint alles Landschaftliche. Rottöne verschwinden in der Ferne ganz, ebenso die Kontraste, die im Vordergrund indessen gut zu sehen sind.

Ich gehöre zu den Menschen, die synästhetisch wahrnehmen. Das heißt: verschiedene Sinne sind auf eigenartige, jeweils individuelle Weise im Gehirn verbunden. Man kann, so verrückt sich das anhört, Töne und Klänge schmecken oder sehen – wobei das Sehen wohl die häufigste Ausprägung ist. Buchstaben, Wörter, Ziffern bekommen auf diese Weise ihre Farben. Die sind einfach da und ändern sich im Laufe eines Lebens nicht.

Interessanterweise ist – ob intendiert oder nicht, weiß man das? – in der kirchlichen Liturgie eine Synästhesie sozusagen beschrieben: „Schmeckt und seht, wie freundlich Gott ist.“

Zeitweise machte es mir – als Grundschülerin – durchaus Sorge zu erkennen, dass Wochentage, Namen und Zahlen und vieles andere doch eigentlich neutral sind und nicht etwa Abfolge von Farben. Was existiert wirklich, was nicht?

Diese Fragestellung ist allerdings auch bei der Wahrnehmung „realer“ Farben angebracht. Nicht alle Lebewesen sehen alle Farben – und erst recht nicht identisch. Das Farbenspektrum vieler Säugetiere ist, mit unserem verglichen, deutlich eingeschränkt. So hat man schon öfter davon gehört, dass das „rote Tuch“ bei den – schrecklichen – Stierkämpfen von den Tieren überhaupt nicht wahrgenommen werden kann. Indessen sehen Reptilien die Welt in (noch) mehr Farbtönen als wir. Das lässt sich messen, aber unser Auge lässt es – logischerweise – nicht zu, ihre Wahrnehmung nachzuempfinden.

Wie die materielle Welt für uns in Bilder transponiert wird, ist zwar im Allgemeinen so ähnlich, dass wir uns darüber verständigen können – doch gibt es gleichzeitig immer Rätselhaftes und Geheimnisvolles.

Farben werden vielfach symbolisch eingesetzt. Doch tragen sie oft Widersprüchliches in sich: So kann die Farbe Gelb vom (für viele) angenehmen „Sonnengelb“ zum giftigen, galligen Gelb changieren. Rot kann eine angenehme Wärme vermitteln, aber auch „hyperaktiv“ sein, laut und bedrohlich warnend. Ein etwas anderer Farbton – und eine eigentlich angenehme Farbe „kippt“.

All das waren für mich Fragen, die ich mir – in meiner Farbenwelt – schon früh stellte. So war mir schnell klar, dass ich nach Möglichkeit Kunst studieren würde. Ich habe es ausgiebig getan und später lange als Lehrbeauftragte gearbeitet.

Ich denke immer gern daran zurück, wie ich als Jugendliche erstmalig einen Laden für Kunstbedarf betrat. Damals war es eher ein Geheimtipp, das Malen als Hobby war noch nicht so verbreitet wie heute. Unsere Ausstattung für den Kunstunterricht war auch eher dürftig: Der Wasserfarbkasten und ein paar Stifte, das musste genügen. Nun kam ich also in diesen Laden, übrigens in Hörde – von den Millionen Farbnuancen, die der Mensch unterscheiden kann, wusste ich noch nichts, aber hier kam es mir so vor, als könne man sie alle erwerben. Mein Kaufrausch war exorbitant, und obendrein noch „auf Kredit“, das Donnerwetter zu Hause entsprechend; aber es war tatsächlich der Einstieg in die ernsthafte künstlerische Arbeit.

Es gäbe noch vieles zu sagen, allein die verschiedenen Arten, Farben zu mischen, wären noch einige Sätze wert. Vielleicht so viel dazu: Im Moment arbeite ich mit Collagen aus Teebeutelvlies, um den Farben eine besondere Tönung zu geben.

Die Geheimnisse der Farben lassen sich nicht endgültig entschlüsseln, es ist eher so, dass sie größer werden, je tiefer man in die Thematik eintaucht.

Ich freue mich sehr, in einer Kirche sprechen zu dürfen, die sich durch ihre besondere Farbigkeit auszeichnet. Nicht vom Boden bis ins Gewölbe ausgemalt wie beispielsweise die Immanuelkirche in Marten, aber doch von einem beeindruckenden Farbklang. Die Fenster von Johannes Schreiter, vorwiegend zurückhaltend-grau, mit abgetöntem Rot, lassen die Gemälde von Conrad von Soest wunderbar leuchtend zur Geltung kommen.

Vor einigen Jahren habe ich über verschiedene Dortmunder Orte Gedichte geschrieben – auch über die Marienkirche.

Und mit diesem Gedicht möchte ich schließen:

 

St. Marien in Dortmund


Hier singen Farben
ihren Dreiklang in den Raum –

Leuchtendrot lässt
Steine glühen 

Marienblau ummantelt
graue Angst 

und Sternengold
schwebt über Sand und Staub

Grisailleglas schweigt –
erlaubt der Sonnenstunde

Saitenklänge
Farbenatmen
Streicheln auf der Haut

 

 

 


 

 

Texte und Fotos:  © Marlies Blauth






Freitag, 24. März 2023

Karstadt | Dortmund










Ein Warenhaus voller Erinnerungen – Karstadt in Dortmund


Heute besuche ich noch einmal unser gutes altes „Kaufhaus“, habe mir vorgenommen, in der noch immer beeindruckenden Lebensmittelabteilung nach Leckereien für ein kleines Geschenkpaket zu schauen. Ich finde es praktisch, mitten in der Stadt solch eine schöne Auswahl zu haben – in einigen Innenstädten sind Lebensmittel ja kaum noch zu erwerben. Das ist schade. Immer wieder den immer ähnlichen Wocheneinkauf hektisch hinter die Heckklappe des Autos zu stopfen, nagt doch an der „Einkaufskultur“, oder nicht? Hier, bei Karstadt, finde ich tatsächlich nach wie vor Sorten und Fabrikate, die ich noch nie gesehen habe. Und meine Lieblingsmarmeladen sind wieder da! Davon muss ich mir, parallel zum Fresspaket-Geschenk, selbst eine gönnen. Granatapfel – kenne ich noch nicht, scheint neu zu sein, wie ich im Internet schon zuvor gesehen hatte.

Bei Karstadt ist drinnen viel los – was mich erstaunt. Es soll doch geschlossen werden, nach einer Galgenfrist von einigen Monaten. Noch gibt es aber keine Sonderangebote, jedenfalls keine, die an „Leichenfledderei“ denken lassen. Alles ist, wie immer, perfekt dekoriert. Man kann zwar nicht direkt sagen, dass „der Bär steppt“ … aber es ist ja erst Vormittag, und ein fast-aufgegebenes Warenhaus stelle ich mir völlig anders vor. Oder, ja: Ich kenne eins, das ist tatsächlich meist gähnend leer, das Verkaufspersonal hat kaum etwas zu tun. Hier, in Dortmund, ist es aber nicht so, es herrscht ein buntes Treiben wie auf dem Markt. Mag sein, dass es nochmal einen Aufschwung erhielt, seit Karstadt-Galeria-Dings aktuell in den Schlagzeilen auftauchte. Aber umso schöner, wenn sich die Dortmunder solidarisch fühlen.

Es wäre ein riesengroßer Fehler, dieses noch immer schlagende Herz aus dem – insgesamt leider nicht ganz fitten – Innenstadt-Kosmos herauszureißen.

Vieles ist noch vertraut, die Warenhaus-Welt glitzernd und vielfältig wie gewohnt; ich denke „an früher“:

 



Wir wohnten ja ziemlich weit draußen, „auf’m Dorf“ in Berghofen, wo es in meiner Kindheit nur wenige Läden gab – winzig und mit Tante Emma hinter der Theke. So war eine Fahrt in die Stadt immer etwas Besonderes. Meine Mutter war plötzlich schick, mit Lippenstift und Klack-klack-Schuhen, und meine Hose – Jeans kamen erst später – musste die ohne Loch am Knie sein. Und los ging’s. Kam mein Vater nicht mit, nahmen wir den Bus nach Hörde und von dort aus die Straßenbahn, die sich eine gefühlte Ewigkeit die Märkische Straße entlangquälte, denn die U-Bahn gab es noch nicht. Später bog die – nougatbraune – Bahn an der großen Kreuzung am Stadthaus ab, fuhr über den Wall und dann in die Hansastraße.

Endlich war das Ziel erreicht, die Haltestelle befand sich direkt neben „Althoff“ – dann wohl schon Karstadt, aber meine Mutter blieb beim Althoff.

In diesem altehrwürdigen Warenhaus – mit den Figuren aus Sandstein an der Fassade – gab es nahezu alles, was meine Mutter einkaufen wollte. Was Althoff nicht hatte, war schwierig zu bekommen. Die anderen Warenhäuser, ich meine, es gab zeitweise 4 (oder sogar noch mehr?) Konkurrenten, waren für meine Mutter nicht der Rede wert. Hier zuviel Billigware, dort zu wenig Auswahl.

Und in der Tat, für ein Kind aus dem knapp zehn Kilometer entfernten Vorort war das Sortiment überwältigend. Da lagen Sehnsüchte greifbar in Hülle und Fülle herum, Spielwaren, lebende (!) Tiere, schöne Dinge, Leckeres in der riesigen Lebensmittelabteilung … all das hatte Tante Emma zu Hause nicht mal andeutungsweise im Angebot.

Interessant war immer auch das Fahren mit dem Aufzug. Damals gab es noch Fahrstuhlführer, man musste sich also nicht durch irgendwelche Übersichtspläne wurschteln, sondern brauchte ihm nur zu sagen, wohin man wollte beziehungsweise was man zu kaufen vorhatte. Daraus entwickelte sich oft eine sekundenkurze Plauderei meiner Mutter mit dem Fahrstuhlmann, den sie meist schon kannte. Ich fragte sie kurze Zeit später, warum dem einen ein Arm fehlte oder eine Hand; ich lernte, was Kriegsverletzungen sind. (Solche Erfahrungen mahnten mich jedesmal: Nie wieder Krieg!!)

Für mich, das Dorfkind, das immer draußen herumstrolchte, war „Althoff“ immer sehr vornehm. Alle Angestellten waren freundlich und höflich und sprachen mich, das Kind, auch oft direkt an. Man sah mich als zukünftige Kundin; nicht, dass man mir in der Damenkonfektion oder der Gardinenabteilung was hätte andrehen wollen und können. Nein, man sorgte für eine angenehme Atmosphäre. Da wurde beraten und bedient. Ein unwirsches „Haben wir nicht“, wie es einige Jahrzehnte später breitflächig auftauchte, wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Ob „noch am Lager“ oder nachbestellbar oder durch ein ganz ähnliches Modell ersetzbar – die Verkaufsgespräche waren ausführlich und aus kindlicher Sicht oft viel zu lang. Aber so war es eben; man hatte Zeit, nahm sich Zeit, von A nach B zu wetzen, war nicht üblich. Und das große Warenhaus hatte ja den Vorteil, dass man oft kaum noch woandershin musste. Meiner Mutter war es am liebsten, wenn sich ein Stadtbesuch nahezu auf ihr Althoff beschränkte. Vielleicht lag das an ihren stadtfeinen Schuhen, mit denen sie vermutlich nicht den ganzen Westenhellweg entlangstelzen konnte und wollte.

Zum Schluss ging es immer in die Lebensmittelabteilung. Ein Traum. Immer duftete es nach gegrillten Hähnchen. Bei uns zu Hause gab es, wie wohl in den meisten Familien, meist einfaches Essen. Daher kaufte meine Mutter hier auch nicht viel. Selbst wenn mein Vater mitkam und also auch das Auto, wurde nicht einkaufswagenvoll gestapelt: Die etwas teureren Dinge von Karstadt blieben immer etwas Außergewöhnliches.

Bald kamen Zeiten, in der konkurrierende Konzepte wie Pilze aus dem Boden schossen: Einkaufszentren „auf der grünen Wiese“, Innenstadt-Galerien (diese Riesendinger mit ihren Ladenzeilen unterm Dach) und schließlich der Onlinehandel. Hatte man früher noch ans unendliche Wachstum und entsprechend unstillbare – aber eben käufliche – Begehrlichkeiten geglaubt, so zeigt sich nun: Der Markt ist, zum Teil jedenfalls, gesättigt. Man hat erkannt, dass man nicht alles neu haben muss, vieles wird vererbt oder anders weitergereicht oder eben auch mal repariert.

Das Prinzip Warenhaus habe sich überlebt, heißt es. Ich bin mir da nicht so sicher. Dass die Innenstädte veröden und verblöden und sich (darin) gleichen wie ein Ei dem anderen, will so recht niemand. Der Trend, mit dem Auto überall ranfahren zu müssen, nimmt ab.

Ich fürchte, die halbe Welt ist zum übervollen Warenhaus geworden – nur vielfach ganz ohne die Atmosphäre und den Service unseres guten, alten Karstadt an der Hansastraße.

Es gibt aber aktuelle Rettungsversuche; möge wenigstens ein Teil des Bewährten und Wichtigen erhalten bleiben. Ich drücke die Daumen, Dortmund!


Dieser Text entstand unter Verwendung meines Kommentars auf dem Blog revierpassagen.

Marlies Blauth

 




Die Geste | Heft Frühjahr 2023








 

Mein Gedicht Nachsaison ewig in:

Die Geste, die stadt läuft hinter mir her, Ausgabe Frühjahr 2023 

(Hrsg. Silvio Colditz)

















Sonntag, 26. Februar 2023

Gedicht [ohne Titel]

 






Kind

wie lange

dauert der Winter?

über den grünenden Pflanzenaugen

liegt Vogelgesang.

er treibt mich zum Weinen

weil er so jung ist.

in deiner Kammer

wohnt immer noch herbstlich

der Schmerz –

abgeworfene Blätter Papier

Reliquien

einer Verwitterung

anheimgegeben

die dem Alltäglichen

seine Freundlichkeit nimmt.

der Frost konserviert nicht

nein er beißt.

missdeutete Handlungen

Lebertran vom rosa Löffel

Herzbeutelrisse –

im Kleingarten ist die Ernte

nicht aufgegangen.

ich habe die Muttersprache verlernt

sie bleibt als Schweigen

zwischen den Zähnen.

 

 

 

Text und Bild © Marlies Blauth

 

 






 


Mittwoch, 22. Februar 2023

Gedicht [Frühlingssonne und leere Landschaften]

 









Frühlingssonne

und leere Landschaften

 

der Schmerz

hat überwintert –

er haust hinter Augenhöhlen

verlassener Bauten

wurzelt sich durch

Unterführungen gnadenlos

 

die Gleise sind leuchtende Linien,

Hoffnungsträger vielleicht

oder sie zittern unter der Last

entgleisender Züge

 

schlechte Nachricht

schon wieder

 

 

 

 

Text und Bild © Marlies Blauth

 

 

 

 

 

 

 

 


Samstag, 18. Februar 2023

Gedicht [weggeweht]

 














weggeweht

 

dein Name fällt

weich

über dein Foto

dein helles Gesicht

hat sich Pastellstaub gelegt

 

wenn ich Erinnerung hineinzeichne

zieht ein Gewitter auf –

Blei liegt auf meiner

inneren Landschaft

wie damals

 

als unser Gespräch

in den Sandbergen vor der Tür

verlief und verblasste

 

Nachsaison ewig –

gesammelte Seesterne

kalkige Muscheln räume ich aus

dem düsteren Schrank

Treibholz

Lebensreste die ich nicht

mitnehmen kann

 

draußen der Sturm 

es rasselt und klingelt 

in den Handschuhen

sind meine Finger groß und grob

 

 

 

 

 Text und Bilder © Marlies Blauth

 

 









Sonntag, 12. Februar 2023

Blick in eine aktuelle Ausstellung










 



ChurchPaintings in der GEDOK-Jahresausstellung / Februar 2023

Ruhr Gallery Mülheim, Ruhrstraße 3, 45468 Mülheim

 

„Im Obergeschoss lädt Marlies Blauth uns ein zur Betrachtung ihrer Ornamente, die uns herausnehmen aus dem Chaos der Welt hinein in ästhetische Ordnungen.“

Dr. Jutta Höfel (Einführungsrede)