Mittwoch, 17. Juli 2024

Gedicht [Dortmund-Syburg]

 











Dortmund-Syburg

 

 

Friedhofsruhe –

als hätte der Ort gesündigt

jeden Gedanken daran vergraben

und Engel daraufgestellt

 

mit ihrem sandigen Lächeln

begrüßen sie fröhlich still

jeden Menschen

– arm oder reich –

weisen auf Schädel

gekreuzte Knochen

fragen nicht

nach dem Glauben

 

das war früher anders:

da wurden Menschen

– „die Sachsen“ –

zu Christen geschlagen

Zwangstaufen Bücktüren

Bottiche voll mit muffigem Wasser –

so lernten sie christliche Demut

(das Bergpredigen ließ Jesus sein)

 

ihre Quellen und Heiligtümer

wurden an Petrus verschenkt

vielleicht hat er sich ja gefreut –

immerhin: starker Felsen

Wasser des Lebens

man spürt es hier

 

Peterspilger

kamen jahrhundertelang

und sangen Dank

dass Gottes Quellen heilig sind

heilen

amen

 

bis sich die Glaubensdinge

wiederum wandelten:

Proteste der Protestanten

wucherten weit –

heilige Brunnen?

abergläubiger Mensch!

Wasser ist Wasser

folge der Wissenschaft

 

leer

wurde es:

die Quellen rauschten

versteckt und verdeckelt

von ferne

(wenn du die Stelle weißt:

halte dein Ohr daran)

 

die Bruchsteinhäuser

sind alt und warm

und erzählen

wenn man sie lässt –

sie blicken auf die Ruinen der Burg

gemauerte Torsi im Sonnenschein

wo Eidechsen wuseln und wohnen

 

Wanderer kommen leise

und stören nicht

sie haben Kaffee dabei

in Thermobechern

weil es so still geworden ist

(früher kamen Besucher in Bussen

zum Pfefferpotthast)

 

die Spielbank am Hang

lockt Menschen

mit ihrem Geld ihren Wünschen

ihre Fahrzeuge parken sie vor der Tür

 

 

als hätte der Ort gesündigt

Engel betrachten das karge Leben –

feine Spuren legen sie

in die Zukunft

wie klingt die Zeit –

wie das Glockenläuten der uralten Kirche?

 

 

 

Text und Foto © Marlies Blauth

 







 

 

 


Sonntag, 7. Juli 2024

Aktuelle Ausstellungsbeteiligung

 










FARBE SATT!

 

Meine Bilder in der Dr. Carl Dörken Galerie in Herdecke – Ausstellung zum 100 jährigen Bestehen des Hagenring e.V.

 

Ausstellungszeitraum: 5.7. - 11.8.2024

Vernissage war am 5. Juli um 19 Uhr

 

Öffnungszeiten: Sa 14 – 17 Uhr, So 11 – 17 Uhr

 

Galerie der Werner Richard-Dr. Carl Dörken Stiftung

Wetterstraße 60, 58313 Herdecke


















 


Donnerstag, 4. Juli 2024

Gedicht [mein Herz]

 









mein Herz

 

macht einen Sprung ins Weite

Leichte des Himmels

meine Gedanken

erzählen mit Märchenworten

wie Ketten um meine Brust

zerbrechen zersprengen

Augenstunde um Augenstunde

klare ich auf

fange Worte

besetze beschreibe Faltboote

aus Papier

sie treiben und schweben weltwärts

vergessen

die Uferlandschaften

nie

 

 

 

Text und Bild © Marlies Blauth







 


Mittwoch, 26. Juni 2024

Veröffentlichung: Kleines Gedicht

 









in: Magnificat / Das Stundenbuch, August 2024, Kevelaer 2024




 











Mittwoch, 12. Juni 2024

Einladung zu meiner nächsten Lesung

 








morgens ein Atemzug Winter

Lesung im Rahmen der "Tea Time" im Heinrich Heine-Institut, Bilker Straße 12 – 14, 40213 Düsseldorf

20. Juli 2024, 15 – 17 Uhr

Anmeldungen bitte unter anmeldungen-hhi@duesseldorf.de oder tel. 0211-8995571













 


Samstag, 1. Juni 2024

Gedicht [Fluchtpunkte]

 











                                                                                   

 

Fluchtpunkte

 

die Reißzeit habe ich überlebt

doch jeder Tag sticht weiterhin

eine Kränkung in mein Herz –

ich lerne Wörter

die ich noch nie gehört habe

oft komme ich darin vor

ich flüchte

in eine embryonale Haltung

werde – weich und klein –

zu meinem eigenen Kind

Töchter und Söhne bauen

in meinem Kopf ein Nest

legen Begriffe hinein

die an mir zerren:

ob ich selbst die Melancholie

meiner Gedichte sei?

sie füttern mich sorgen- und

seelenvoll

bis meine Gedanken

ins Altenteil übersiedeln:

mein Haarflaum ist grau

vor mir flimmern Bilder

ich ordne die Pillen
(für meine Gesundheit)

nach Farben –

 

 



Text und Bild © Marlies Blauth














Sonntag, 26. Mai 2024

[Glosse] Mit Bus und Bahn und großem Gepäck

 










Mit Bus und Bahn und großem Gepäck

 

Wo ich wohne, hat jeder sein Auto oder jede ihres. Manchmal auch zwei. Nur ich – gefühlt nur ich – hab keins.

Meist merke ich das gar nicht. Ich fahre seit 56 Jahren mit den Öffis, kenne ihre Stärken und ihre Schwächen, genieße sogar die meisten Fahrten damit (auch diese Glosse entsteht wieder in der Bahn) und fühle mich frei und unabhängig.

Aber heute … nä – wie man im Rheinland zu fluchen pflegt.

„Meine“ Stadt ist eigentlich keine. An irgendeinem Schreibtisch hat man irgendwann sieben oder acht Dörfer zu einem Haufen zusammengefasst und diesen dann Stadt genannt. Dieses Ding muss folglich ohne Zentrum auskommen, gewissermaßen ohne Herz dahinvegetieren.

Immer wieder beklagen sich diejenigen, die mit dem Bus von einem Dorf – äh: Stadtgebiet – ins nächste fahren müssen oder wollen: Die öffentliche Verbindung eines Ortes mit dem nächsten ist und bleibt schlecht. Die Buslinie nach L., die eigentlich bei mir in der Nähe hält, ist besonders berüchtigt, weil sie eigentlich immer einen Plan B erfordert.

Heute kommt sie erstmal gar nicht, wenn ich sie brauche; so sagt der Fahrplan. Saure-Gurken-Zeit; da ist gar kein Bus vorgesehen. Ich habe zwei Bilder von O. nach L. zu transportieren; jemanden mit Auto zu engagieren, lohnt sich weder organisatorisch noch ökologisch-klimaschonend. Also los, auch wenn ich einen Umweg mit Umstieg und sonstigen Schikanen in Kauf nehmen muss.

Meine Laune rutscht nochmal ein paar Etagen tiefer, denn just als ich mit meinem Paket das Haus verlasse, beginnt es zu regnen, und zwar „cats and dogs“, also sehr. Ich öffne meinen Schirm, irgendwie so zwischen Schulter und Hals geklemmt, weil ich ja die Bilder in der einen Hand habe und kein Krake bin (wiewohl in solchen Momenten gern einer wäre) und der Schirm keine Automatik hat.

Ach ja, das Bilderpaket misst einen Meter zwanzig, es handelt sich also nicht um ein Täschchen mit Bildchen drin.

In der Bahn geht’s, die fährt meist ruhig und gelassen. Ich stelle mein Paket in stabiler Lage ab.

Aber dann das Umsteigen: Schirm – nass – vollgeregnetes Verpackungsmaterial – und ich schon ziemlich derangiert.

Der Bus, der nun kommt, verrät nicht ansatzweise, wer er ist und wohin er uns bringen will: Sein Display ist dunkelgrau wie die Regenwolken am Himmel. „Ün-dreißsch“, meldet der Fahrer. Aha. „Halten Sie an der M.-Straße?“ frage ich, erhalte aber keine Antwort. „Das weiß der selber nicht!“, witzelt ein anderer Fahrgast. Ich beschließe, kein Risiko einzugehen mit meinem Ballast, lasse den namenlosen Bus weiterziehen und gehe zurück ins Wartehäuschen, dessen Vorhandensein ich als besonderen Service empfinde, denn auf dem Land – pardon, in meiner Stadt – ist das nicht selbstverständlich. An manchen Stellen muss man sich vollregnen lassen, bis sich endlich ein Bus heranbequemt.

Irgendwann kommt die richtige Nummer, die sogar ohne Sehhilfe lesbar ist, ich steige ein. Wunderbarerweise bekomme ich einen Klappsitz für Fahrradfahrende (nein, hier fahren sie natürlich erstmal nicht), Rollstuhlbetreuende, Kinderwagenmitsichführende oder Leute wie mich: Kunstschleppende. So, letzte Hürde genommen. Irgendwie ging ja alles noch, wie schön, hach.

Denkste. Als ich mich meiner Ausstiegs-Haltestelle nähere, stehe ich schon mal auf, der Klappsitz schnappt, der Rucksack ist geschultert, das Bilderpaket durch mich, das Fast-Krakentier, vor dem Umfallen gesichert. Den nassfiesen Schirm muss ich mehr schlecht als recht in der Jackentasche verstauen.

Daaa kommt, man möge es mir verzeihen, ein weibliches Ungeheuer mit Kontrollausweis auf mich zu. Die Dame hatte zuvor lautstark mit ihrer Kollegin, Susanne oder Sabine, Gespräche auf Kaffeklatschniveau geführt. „Faaahrkarte, bitte!“, raunzt sie jetzt – „Ich muss aber jetzt aussteigen, und Sie sehen doch …“ (aber genau das forciert eine besondere Unerbittlichkeit).

Rucksack wackelnd abgehalftert, Ticket rausgefriemelt … immer wieder nach draußen schielend, wo wir denn gerade sind. „Und nun noch Ihren Personalausweis!!“ – „Den habe ich leider noch woanders (in Klammern: weil ich mal beklaut wurde und ich seitdem meine Siebensachen so verteilt habe, dass sie bei der nächsten Attacke nicht wieder allesamt weg sind)“ – „Sie müssen sich das in die Hosentasche stecken! Wie Sie das machen, unmöglich!“

Nein, danke, liebe Frau Kontrolletti. Dann zerkrache ich womöglich mein Ticket und genau Sie beschweren sich dann, dass Ihr Lesegerät den Schrott nicht lesen kann und ich hätte besser aufpassen müssen. Leute wie Sie knöpfen einem dann nämlich 60 Euro ab.

 

Schweißgebadet steige ich aus: Eine Mitte-Sechzigerin dermaßen zu stressen und zu schulmeistern, gehört sich einfach nicht.

Nein, SO entwöhnt man keinen Menschen vom Auto. Ich dachte immer, das will man unbedingt.

Klimaverbesserung beginnt im Alltag!

 

 

© Marlies Blauth