Inspiration, 12 Dreicke mit Linoldrucken, 2007/2008.
Einzeltafel/ Holz ca. 20 cm x 40 cm
[Beim Aufräumen fand ich diesen Text (von 2008) – wär‘ schade, ihn
einfach abzuheften oder ins Altpapier zu geben:]
LEBENS-FARBEN
Rot,
Violett, Grün und Weiß
Farben begegnen uns überall. Im Alltag dürfen wir uns für das rote oder
blaue Kleid, für das gelbe oder graue Sofa entscheiden. Die Natur bietet uns
hierzulande etwa 8 Monate im Jahr ein überwältigendes Farbenspektrum. Die
Farbfotografie ist seit Jahrzehnten Standard. Werbung ist bunt. Zum
„Tapetenwechsel“ gehören immer auch neue Farben. Die meisten Menschen haben
Lieblingsfarben. Ein guter Koch sorgt dafür, dass seine Kreationen auch
farblich perfekt komponiert sind. In der Musik gibt es den Begriff chromatisch.
In unserer Kirche früher fiel mir schnell auf, dass die Paramente einem Wechsel unterworfen sind
(den ich aber zunächst nicht verstand). Ich dachte, der Pfarrer bestückt die
Kirche nach seiner jeweiligen Laune. Auch das wäre natürlich spannend! Die
Frage war allerdings, warum bestimmte Farben, vor allem Gelb und Blau, im
liturgischen Farbkanon – gemeint ist jetzt die evangelische Kirche –
ausgeschlossen sind. Eine definitive Antwort habe ich bis heute nicht gefunden,
es ist aber wohl anzunehmen, dass Gelb als „Warnfarbe“ (früher beispielsweise
als Warnung vor der Pest) immer schon galt und das Goldgelb zu sehr Farbe der
Herrschenden war; das Blau als Marienfarbe
passte ebensowenig in den Protestantismus. Jedenfalls keimte schon vor weit
über 40 Jahren mein Interesse auf, Näheres zu den liturgischen Farben zu
erfahren; fand ich doch heraus, dass viele Menschen diese so dezent
eingesetzten Farben überhaupt nicht „sehen“!
Interessant wurde die Thematik wieder, als ich begann, meine Bilder in
Kirchenräumen zu zeigen bzw. Werkreihen für Kirchenräume zu erarbeiten. Obwohl
die Illustration in meiner Ausbildung eine wesentliche Rolle spielte, nahm ich
nun Abstand von den bildlichen Darstellungen, fand es für das evangelische
Umfeld passender, in den abstrakten Bereich zu gehen, also hier und da mit
Assoziationen zur Gegenstandswelt.
Das liegt vor allem bei der Farbe GRÜN nahe – ich arbeite gern mit
Blattstrukturen, Gras, Landschaftsanklängen. Grün bezieht sich im Kirchenjahr
eher auf die „unbedeutenden“ Zeiten, also auf die feiertagsarmen Phasen; dafür
kommt es ziemlich oft und lange vor. Ich sehe da einen unmittelbaren Bezug zur
Natur, der auch in Kirchenliedern wie „Geh aus, mein Herz, und suche Freud‘ …
Die Bäume stehen voller Laub, das Erdreich decket seinen Staub mit einem grünen
Kleide …“ oder „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“.
Der Gegensatz zum Grün ist ROT – das ist auch in den meisten
Farbtheorien so, da nennt man es „komplementär“. Das glühende Rot kommt in der
Kirche liturgisch nur ganz kurz vor, nämlich in der Woche um Pfingsten. Ich
hörte einmal einen Theologen mutmaßen, ob die Kirche vielleicht „Angst“ habe
vor einer Farbe, die erstens so voller Temperament ist, zweitens für
Revolutionen und ähnliches vereinnahmt worden ist. Kurz, aber heftig – so
könnte man die Rotphase im Kirchenjahr umschreiben. Ich finde das Rot deswegen
sehr spannend; steht es doch im Kontrast zur sonstigen protestantischen
Zurückhaltung, was Dinge fürs menschliche Auge betrifft. „Zünd uns ein Licht an
im Verstand“ dichtete Martin Luther auf Deutsch nach nach dem Hymnus Veni creator spiritus – es ist eben
nicht alles Ratio im menschlichen Leben, wir brauchen (neben dem vernünftigen
Abwägen) genauso die spontane Idee, die Inspiration, kreative Lösungen, Begeisterung.
Ist es nicht interessant, wieviel „Pfingstliches“ in der Alltagssprache
vorkommt, oft ohne dass es bemerkt wird?
Aus zwölf leuchtendroten Dreicken besteht meine Arbeit „Inspiration“,
die sich seit vier Jahren in der Markuskirche in Düsseldorf-Vennhausen
dauerhaft befindet.
Ganz anders die Farbe VIOLETT, eine Farbe, die gleichermaßen Irdisches
wie Transzendentes ausstrahlt. Das Spektrum der violetten Töne ist immens, von
bräunlichen, fast erdfarbenen Varianten bis zum „vergeistigten“ Violettblau oder
zum heftigen Pink-Violett. Dass es zur Farbe der Passion wurde, ist plausibel;
und auch die Zeit der Buße ist violett gekennzeichnet: „Aber noch tragen wir
der Erde Kleid. Uns hält gefangen Irrtum, Schuld und Leid; doch deine Treue hat
uns schon befreit. Halleluja!“ – Eine Arbeit von mir besteht aus violetten
Holzbalken, auf die Papierstücke geleimt und Metallstücke und spitze Drähte
montiert sind, in die teils rostige, teils goldene Nägel eingeschlagen wurden;
einen Balken habe ich mit einem Messer bearbeitet. Man darf Kreuzbalken
assoziieren, muss es aber nicht. Es soll jedenfalls anklingen, dass sich die
irdischen Widrigkeiten in Erwartung eines Besseren, Höheren auflösen. – Eins
meiner violetten Bilder hat – scheinbar – Kreuzzeichen. Gemeint sind aber eher
Pluszeichen, Zeichen einer positiven Lebensbilanz, die man am Ende doch so gern
ziehen würde – also Buße einmal anders, nicht als Abkehr, sondern als
Hinwendung zur Welt, als immer neuer Versuch, negative Erfahrungen, die ja zur
Normalität gehören, zu überwinden.
Das WEISS im kirchlichen Bereich ist oft Anfang von etwas; in der katholischen Kirche gibt es bekanntlich den Weißen Sonntag (mit Hinweis auf die weiße Kleidung der Neugetauften). Man kennt das „unbeschriebene Blatt“, das noch sämtliche Möglichkeiten birgt: Weiß beinhaltet, wenn man so will, alle anderen Farben, es reflektiert aus auftreffende Licht fast vollständig. Weiß ist erhaben und schlicht zugleich. Meine weißen Arbeiten thematisieren Licht, Wasser, Luft, Eis(blumen).
Noch ein paar Worte zu meiner Arbeitstechnik: Ich verbinde (oft) Malerei
und Linoldruck, was eher unkonventionell ist. Ich mische mir meine speziellen
Farbmaterialien zurecht, gebe der Farbe Gips, Erde, Asche, Metallpigmente und
anderes zu; so kann ich die Oberflächenbeschaffenheit beeinflussen, vor allem
auch die „Druckbilder“, die Strukturen, die sich durch den Linoldruck
(Handdruck) ergeben.
Marlies Blauth
Weiß, 2007.
Linolschnitt auf Hartfaser, 85 cm x 80 cm.
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