Nein, heute mal nicht in Glossen-Laune. Ich bade gerade, ungern,
in einem Schwall warmer Worte – „Tut uns leid“, „Wo eine Tür zugeht, geht eine
andere auf“, „Positiv denken!“ (das musste ja kommen), „Ist mir auch schon so
gegangen, versteh‘ ich“.
Mein Atelierraum, den ich gerade mal 12 Monate nutzen konnte,
ist mir gekündigt worden.
Die meisten Jahrzehnte meines Lebens habe ich irgendwie/
irgendwo künstlerisch gearbeitet, meine frühere winzige Wohnung war komplett zum
Atelier mit Schlaf- und Essecke mutiert. Im Improvisieren bin ich ganz gut,
aber der Zustand „geht eigentlich so nicht mehr“ ist nicht besonders schön,
weil einem dann eben nichts mehr eingefallen ist.
Dann bekam ich, welch Fortschritt, eine ehemalige Wohnküche als
Atelierraum. Auch jetzt habe ich die noch zur Verfügung. Aber sie ist für
professionelle Arbeit zu klein, so dass ich mich über viele Jahre auch wieder
gleichsam „zusammenfalten“ musste beim Malen.
Wie schön war es also, dann doch mal ein recht günstiges größeres
Atelier in der Nähe angeboten zu bekommen. Von der Stadt, der Stadt, in der ich
nun seit etwa 20 Jahren lebe. Ich nahm das Angebot an, nicht ohne mehrere Nächte
über der Entscheidung zu schlafen, zu träumen und auch skeptisch zu sein: Was
ist, wenn man dann doch wieder raus muss? Passt das in den eigenen Lebensplan?
(„Unke“, sagte meine Mama immer). Man beruhigte mich, na-hein, keine Gefahr. Irgendwie
klang alles ganz prima nach einer Künstlerförderung – die ich von „meiner“
Stadt noch kaum kannte. Und eigentlich war es bisher auch nie so richtig meine
Stadt gewesen, diese fünf Dörfer, in denen alles irgendwie klein ist (wie meine
langjährige Atelierküche), auch die kulturellen Projekte, das Interesse für die
einheimischen Künstler. Meine größeren „Auftritte“ fanden alle woanders statt,
siehe Vita. Sollte meine künstlerische Seele nun doch endlich ihren Nestbau –
hier – starten können?
Wir bezogen also zu viert die Atelierräume, ich teilte meinen
Platz mit meinem Sohn, der sich – von seinem Taschengeld – ein kleines Video-Studio
eingerichtet hat. Das war zwar nun auch wieder improvisiert, vor lauter Grün
der Greenscreen war der Raum irgendwie gleich vermurkst, aber egal. Ich hatte
jedenfalls: Platz – und kaufte munter Leinwände, endlich mal ohne zu überlegen,
wo ich sie lagern soll. Die Arbeit pendelte sich ein: Zeichnen im großen
Atelier, Malen-Matschen wie gehabt in der alten Küche. Jetzt konnte auch wieder
Atelierbesuch kommen und „Bilder gucken“, wir führten ganz schöne Gespräche, es
entwickelten sich kooperative Projekte mit den Kollegen, kurz: es wuchs. Und
just nachdem ich mich zufrieden zurück lehnte und dachte: „Wir haben hier doch
eigentlich Glück“ – wurde uns die Kündigung zugestellt: Eigenbedarf. Ich kenne die Hintergründe und finde sie auch verständlich; nur stehen wir (Künstler) bald im Regen und können, wie's aussieht, nicht auf das kleinste Bisschen Unterstützung hoffen.
Ja, meine Skepsis am Anfang … ich bin eine Unke und bleibe eine.
Nun haben wir also Material und Ausstattung erworben – und wissen nicht wohin.
Beim Wort „Sperrmüll“ zieht sich die Seele zusammen. Verschenken gegen eine
Spende? Alles im Wohnzimmer zwischenlagern, bis sich „etwas findet“? Nun, dafür
gibt es prima Umschreibungen: „ … bis der Arzt kommt“, „ … bis in alle
Ewigkeit“, „ … auf Godot“ … denn hier im Dorf gibt es – nichts. Eigenheime,
Wohnungen, denn im Grunde sind wir ja so was wie ein (Schlaf-)Vorort von
Düsseldorf. Das wiederum fast überquillt von Künstlern, da braucht man uns eher nicht. Hier gibt es ein paar Läden, ja, auch leere, wie überall; aber
für ein paar Quadratmeter Düsternis einige hundert Euro monatlich zahlen? Und
für nettere Quadratmeter entsprechend mehr? Es werden auch Räume angeboten, die
gleichsam danach rufen, Atelier zu werden. Aber 300 m² groß? Wer hat das Geld
dafür? Vor allem, wenn ein Parkettboden drin ist, auf den wir auch noch
aufpassen müssten.
Schon jetzt habe ich die Faxen dicke, mich auf eine Suche zu
begeben, die man genausogut lassen könnte. Bezahlbar wäre vielleicht ein
Kellerraum, in den aber Ansgars Greenscreen nicht hineinpasst. (In unser Haus,
ein altes Landarbeiterhäuschen, übrigens auch nicht).
Und während ich hier schreibe, bekomme ich ein Angebot. Aber
auch das scheint Unwirtlichkeit für relativ viel Geld zu sein. Und es wurde
auch nicht von unserem „Rausschmeißer“ vermittelt. Ich meine ja immer noch, ein
bisschen Kunst- und Künstlerfreundlichkeit stünde *meiner* Stadt gut zu Gesicht.
Denn wir Kulturschaffenden sind wichtig, selbst für eine Stadt, die aus Dörfern
besteht und viel Acker hat. Wo jeder irgendwie mit jedem über sieben Ecken
verbunden ist, ständig. Dennoch ist das dörfliche Netzwerk wohl nicht mehr
aktiv. Sonst gäbe es viel mehr Resonanz, zumal unser „Fall“ heute in der
Zeitung steht.
Man schaut wie in einen Spiegel, hinein in die eigene
Un-Wichtigkeit, die demnächst unter Gebirgen aus Bildern verschwinden wird. Traurig.
Engagement, Unterstützung von wirklich an Kunst und Künstlern Interessierten
könnte aus diesem Zustand heraushelfen. Aber im Moment sehe ich einige Bilder
tatsächlich als Geschenk weggehen, einige auf dem Sperrmüll – und den Rest
zusammengeschoben im Wohnzimmer.
Marlies Blauth
1 Kommentar:
Bilder auf den Sperrmüll - das lies mich zusammen zucken. Bitte nicht, auch wenn ich deinen Frust verstehe. Dann stifte sie lieber deiner kunstliebenden Stadt.
Viele Grüße von Lucia
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