Geheimnisvolle Spuren
Heute habe ich mir ein Buch gekauft: mein Buch, meine zarten takte – gebraucht. Schon länger
dümpelte es bei Amazon herum, wurde jede Woche ein paar Cent billiger. Das kann
man sich ja nicht gut angucken – und entschließt sich irgendwann zu so einer Art
Adoption.
Gehofft hatte ich, dass es entweder „wie neu“ ist oder aber
irgendwelche interessante („Gebrauchs“-)Spuren aufweist. Mit der ersten
Version würde mich natürlich ein trauriges Desinteresse anspringen, aber
immerhin könnte man das Buch nochmal verkaufen oder zumindest als Ansichtsexemplar
auslegen.
Wenn ich ehrlich bin, wollte ich lieber die zweite Variante –
und die bekam ich dann auch. Auf dem Cover ist deutlich irgendwann eine Kaffee-
oder Teetasse geparkt worden. Und es riecht, oder duftet, sanft nach Tabak.
„Ihr müsst mit dem Bleistift lesen“, höre ich meinen alten
Deutschlehrer sagen. Mein Käufer-Verkäufer hat es eifrig getan: Da ist
eingekreist und unterstrichen, angekreuzt und angemerkt, dass es eine Freude
wäre, könnte man das Ganze bloß dechiffrieren. Aber man kann nicht mal seine –
ihre? – Handschrift lesen.
Die schwungvollen Schrift- und Lesezeichen wirken im übrigen
sehr positiv gestimmt, so, als habe diesem Menschen mein Buch gefallen. Aber
warum hört er im dritten Kapitel auf zu kritzeln und zu krakeln? Wusste er nach
dem zweiten schon alles? Und warum hat er es nach und trotz der Mit-dem-Bleistift-Rezeption
auf den Markt (zurück-)geworfen?
War es vielleicht eine/r meiner RezensentInnen?
Zwei von ihnen leben nicht mehr …
und an diese Beiden denke ich jetzt, voller Dankbarkeit.
Marlies Blauth
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