Donnerstag, 4. April 2019

"Kohlestaub" in der Hagenring-Galerie | Einführungsrede











Hagenring-Galerie, Hagen 24.03.2019


Meine Damen und Herren,
liebe Marlies,

ich begrüße Sie alle herzlich zu dieser neuen Ausstellung. Marlies Blauth hat ihre Ausstellung „Kohlestaub“ genannt. Der Titel ist ganz bewusst sehr programmatisch gewählt. Denn Marlies Blauth malt mit Kohlestaub. Es ist die erste Ausstellung, in der sie sich ausschließlich auf diese Werkgruppe konzentriert.

Im letzten Jahr wurde von den Museen der Region das Ende des Kohlebergbaus mit vielen Ausstellungen begangen. Da könnte man fast glauben, dass für die Künstlerinnen und Künstler der Region nur noch der Staub übrigbleibt. Für Marlies Blauth ist der Staub der Kohle aber schon seit mehreren Jahren eines ihrer vielen künstlerischen Medien. Ein Mittel für ganz besondere Formen der Malerei. Sie löst den Kohlestaub mit Bindemittel auf. Das so gewonnene Gemisch wird mit dem Pinsel vermalt.

Ihre Bilder erinnern manchmal ein wenig an Aquarelle, denen man ihre ganze Buntheit genommen hat. Marlies Blauth legt in ihren Arbeiten meist mehrere Schichten dieser Kohlelasuren übereinander. So entstehen ganz unterschiedliche Grauwerte mit sehr feinen Nuancen. Die können von einem sehr tiefen Schwarz bis zu ganz lichten Schattierungen verlaufen. Stellenweise hinterlässt der Kohlestaub aber auch Strukturen aus ganz feinen Körnungen auf den Bildern. Sie entstehen dort, wo das Bindemittel die Partikel nicht vollständig gelöst hat. An solchen Stellen nimmt man noch einmal die ganze Rauheit des Materials wahr. Manchmal – eher selten  taucht auch ein ganz leichter Hauch an Farbe in ihren Bildern auf.

Zu diesen malerischen Formen kommen auch rein grafische Elemente. Linien, die mit Kreiden oder feinen Stiften gezeichnet sind. Oder Linienstrukturen, die durch den Abdruck von Kohlepapier entstanden sind.

Da finden sich in den Bildern Linien, die die malerischen Flächen mal begrenzen können. In anderen Arbeiten schaffen ganz feine Striche fast gestische Kontraste zu der Malerei. Oder sie formen rhythmische grafische Strukturen, die sich zu Bewegungen formen, die sich über die Fläche erstrecken.

Schaut man auf die Auswahl der Arbeiten in dieser Ausstellung, lassen sich mehrere Gruppen an Arbeiten erkennen.

Da gibt es einmal die Bilder, die uns auf den ersten Blick an Landschaften erinnern. Marlies Blauth legt hier mit sehr bewegten Schwüngen einzelne Flächen horizontal über die Bildfläche. Da finden sich scheinbar eher unbestimmte Bergketten, die sich über das Blatt ziehen. Andere Arbeiten wirken wie Silhouetten von Städten. Da meint man Häuserdächer oder auch mal die Spitze eines Kirchturms zu erkennen. Oder man kann bewegte Wolkenstrukturen ahnen, die sich im Nichts verlieren. In dieser Bildergruppe führt Marlies Blauth in eine unbestimmte perspektivische Bildtiefe, die durch die unterschiedlich starken Schattierungen geschaffen wird. Das Hell-Dunkel-Gefüge der einzelnen Flächen entführt in einen imaginären landschaftlichen Raum.   

Dann gibt es eine zweite Gruppe an Bildern, die eher etwas Tektonisches hat. Hier stehen scheinbar plastische Gebilde im Bildmittelpunkt. Sie heben sich von dunklen, fast tief schwarzen Hintergründen ab. Die können manchmal schon monumental wirken. In anderen Arbeiten assoziiert man eher mikroskopische Strukturen. In dieser Gruppe scheinen sie diese plastischen Gebilde mehr oder weniger deutlich vor den Bildhintergrund zu schieben. Letztlich bleiben diese Gebilde bleiben aber völlig unbestimmt. Sie bewegen sich zwischen kubischen Elementen oder da tauchen Assoziationen von Bergformationen auf. In dieser Reihe schafft Marlies Blauth Zonen innerhalb des Bildes, die von einem sehr tiefen Schwarz sind, so dass sich die anderen Formen vor diesen plastisch abheben.

Ich war, als ich diese Bilder am letzten Dienstag hier sah, total von ihrem tiefen dunklen Schwarz fasziniert. Erst wenn man hier mal näher schaut, nimmt man die Strukturen wahr, die sich noch in dieser Dunkelheit abspielen.

In einer dritten Gruppe an Bildern tauchen landschaftliche oder auch pflanzliche Elemente auf. Sie stehen im Bild manchmal eher isoliert als einzelne Form. Oder sie füllen große Teile des Bildes als pflanzliche wirkende Ornamente aus. Da denkt man dann schnell an Blätter oder manchmal auch an Äste. In anderen Arbeiten scheinen sie aber auf dem direkten Weg, sich in rein malerische oder grafische Strukturen zu verwandeln. Aber auch diese Arbeiten bleiben ein Beleg für die Naturverbundenheit von Marlies Blauth.

Ein wirklich guter, langjähriger Freund aus Berlin sprach, wenn er vom Ruhrgebiet redete, immer von Schwarz-Deutschland. Und wenn ich mich so im Publikum umschaue, sind wir alle noch von einer Generation, die als Kinder miterlebt hat, wie sich der Straub und der Dreck teilweise auf die zum Trocknen nach draußen gehängte Wäsche ablegte. Mit diesem Berliner Freund habe ich dann mal Spaziergänge oder Radtouren durch die Region gemacht, und auch er musste feststellen, wie grün es inzwischen im Ruhrgebiet ist.

In diesen Arbeiten von Marlies Blauth bleibt die Farbe zwar außen vor. Aber ich finde, gerade mit dem Verzicht auf eine vordergründige Buntheit schafft sie eine ganz eigene poetische Welt, die einlädt, in sie einzutauchen.





© Dr. Falko Herlemann
   















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