Hagenring-Galerie, Hagen 24.03.2019
Meine Damen und Herren,
liebe Marlies,
ich begrüße Sie alle herzlich zu dieser neuen
Ausstellung. Marlies Blauth hat ihre Ausstellung „Kohlestaub“ genannt. Der
Titel ist ganz bewusst sehr programmatisch gewählt. Denn Marlies Blauth malt
mit Kohlestaub. Es ist die erste Ausstellung, in der sie sich ausschließlich
auf diese Werkgruppe konzentriert.
Im letzten Jahr wurde von den Museen der Region das
Ende des Kohlebergbaus mit vielen Ausstellungen begangen. Da könnte man fast
glauben, dass für die Künstlerinnen und Künstler der Region nur noch der Staub
übrigbleibt. Für Marlies Blauth ist der Staub der Kohle aber schon seit
mehreren Jahren eines ihrer vielen künstlerischen Medien. Ein Mittel für ganz
besondere Formen der Malerei. Sie löst den Kohlestaub mit Bindemittel auf. Das
so gewonnene Gemisch wird mit dem Pinsel vermalt.
Ihre Bilder erinnern manchmal ein wenig an Aquarelle,
denen man ihre ganze Buntheit genommen hat. Marlies Blauth legt in ihren Arbeiten
meist mehrere Schichten dieser Kohlelasuren übereinander. So entstehen ganz
unterschiedliche Grauwerte mit sehr feinen Nuancen. Die können von einem sehr tiefen
Schwarz bis zu ganz lichten Schattierungen verlaufen. Stellenweise hinterlässt
der Kohlestaub aber auch Strukturen aus ganz feinen Körnungen auf den Bildern. Sie
entstehen dort, wo das Bindemittel die Partikel nicht vollständig gelöst hat.
An solchen Stellen nimmt man noch einmal die ganze Rauheit des Materials wahr. Manchmal
– eher selten – taucht auch ein ganz leichter Hauch an Farbe in ihren Bildern auf.
Zu diesen malerischen Formen kommen auch rein
grafische Elemente. Linien, die mit Kreiden oder feinen Stiften gezeichnet sind.
Oder Linienstrukturen, die durch den Abdruck von Kohlepapier entstanden sind.
Da finden sich in den Bildern Linien, die die
malerischen Flächen mal begrenzen können. In anderen Arbeiten schaffen ganz
feine Striche fast gestische Kontraste zu der Malerei. Oder sie formen
rhythmische grafische Strukturen, die sich zu Bewegungen formen, die sich über
die Fläche erstrecken.
Schaut man auf die Auswahl der Arbeiten in dieser
Ausstellung, lassen sich mehrere Gruppen an Arbeiten erkennen.
Da gibt es einmal die Bilder, die uns auf den ersten
Blick an Landschaften erinnern. Marlies Blauth legt hier mit sehr bewegten
Schwüngen einzelne Flächen horizontal über die Bildfläche. Da finden sich
scheinbar eher unbestimmte Bergketten, die sich über das Blatt ziehen. Andere
Arbeiten wirken wie Silhouetten von Städten. Da meint man Häuserdächer oder
auch mal die Spitze eines Kirchturms zu erkennen. Oder man kann bewegte
Wolkenstrukturen ahnen, die sich im Nichts verlieren. In dieser Bildergruppe
führt Marlies Blauth in eine unbestimmte perspektivische Bildtiefe, die durch
die unterschiedlich starken Schattierungen geschaffen wird. Das Hell-Dunkel-Gefüge
der einzelnen Flächen entführt in einen imaginären landschaftlichen Raum.
Dann gibt es eine zweite Gruppe an Bildern, die eher
etwas Tektonisches hat. Hier stehen scheinbar plastische Gebilde im Bildmittelpunkt.
Sie heben sich von dunklen, fast tief schwarzen Hintergründen ab. Die können
manchmal schon monumental wirken. In anderen Arbeiten assoziiert man eher
mikroskopische Strukturen. In dieser Gruppe scheinen sie diese plastischen
Gebilde mehr oder weniger deutlich vor den Bildhintergrund zu schieben. Letztlich
bleiben diese Gebilde bleiben aber völlig unbestimmt. Sie bewegen sich zwischen
kubischen Elementen oder da tauchen Assoziationen von Bergformationen auf. In
dieser Reihe schafft Marlies Blauth Zonen innerhalb des Bildes, die von einem
sehr tiefen Schwarz sind, so dass sich die anderen Formen vor diesen plastisch
abheben.
Ich war, als ich diese Bilder am letzten Dienstag hier
sah, total von ihrem tiefen dunklen Schwarz fasziniert. Erst wenn man hier mal
näher schaut, nimmt man die Strukturen wahr, die sich noch in dieser Dunkelheit
abspielen.
In einer dritten Gruppe an Bildern tauchen
landschaftliche oder auch pflanzliche Elemente auf. Sie stehen im Bild manchmal
eher isoliert als einzelne Form. Oder sie füllen große Teile des Bildes als
pflanzliche wirkende Ornamente aus. Da denkt man dann schnell an Blätter oder manchmal
auch an Äste. In anderen Arbeiten scheinen sie aber auf dem direkten Weg, sich
in rein malerische oder grafische Strukturen zu verwandeln. Aber auch diese
Arbeiten bleiben ein Beleg für die Naturverbundenheit von Marlies Blauth.
Ein wirklich guter, langjähriger Freund aus Berlin
sprach, wenn er vom Ruhrgebiet redete, immer von Schwarz-Deutschland. Und wenn
ich mich so im Publikum umschaue, sind wir alle noch von einer Generation, die
als Kinder miterlebt hat, wie sich der Straub und der Dreck teilweise auf die
zum Trocknen nach draußen gehängte Wäsche ablegte. Mit diesem Berliner Freund
habe ich dann mal Spaziergänge oder Radtouren durch die Region gemacht, und
auch er musste feststellen, wie grün es inzwischen im Ruhrgebiet ist.
In diesen Arbeiten von Marlies Blauth bleibt die Farbe
zwar außen vor. Aber ich finde, gerade mit dem Verzicht auf eine vordergründige
Buntheit schafft sie eine ganz eigene poetische Welt, die einlädt, in sie
einzutauchen.
© Dr. Falko Herlemann
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