Winzige Wadenbeißer: Kriebelmücken
Eine informative Glosse
Kriebelmücken – das klingt nach harmlosem
Kribbeln, nach kleinen freundlichen Verwandten der gemeinen Stechmücke, nach Bedeutungslosigkeit
(komplizierte ökologische Vernetzungen mal ausgenommen).
Viele Kriebelmücken treten in unserem
Alltag auch tatsächlich nicht in Erscheinung, zumal die Männchen nicht, denen
es nämlich nicht beschieden ist, irgendeine Blutquelle anzapfen zu müssen. Die
Weibchen sind da anders beschaffen: die müssen. Ist wohl wichtig für
die Eiproduktion. Und lästig – für beide Seiten.
Denn die Tierchen müssen ihre Quellen insofern
erschließen, indem sie sie buchstäblich aufsägen. Das passende Mundwerkzeug haben
sie für diese Millimeterarbeit – wobei sie selbst nur etwa 3 mm klein sind. Umso
erstaunlicher, dass sie in ihrer Winzigkeit einen ganzen „Tank“ voller Gift mit
sich führen. Das kommt beim Sägebiss zur Anwendung, es lässt vermutlich die
Wunde offen und die Quelle sprudeln, allerdings dauert die Prozedur nur wenige Sekunden.
Spürt man Biss und Gift, ist das Insekt meist schon über alle Berge. Sieht man
es doch einmal, erwartet man von dieser kleinen schwarzen Unscheinbarkeit
jedenfalls keinen dermaßen wirksamen Giftcocktail: Kann ja eigentlich gar
nicht.
Aber die Stelle auf der Haut rötet
sich schmerzhaft und schwillt nicht selten handtellergroß an, auch bei
Menschen, die eigentlich gegen nix allergisch sind (so wie ich). Bevorzugt wird,
warum auch immer, Waden- und Fußnähe. So kann es passieren, dass einem für ein
paar Tage der Schuh nicht mehr passt, weil die Schwellung so heftig ausfällt. Restlos
abgeheilt ist alles erst wieder nach circa zehn Tagen.
Mich scheinen sie leider besonders zu mögen;
ich nehme an, dass das an meiner überaus seltenen Blutgruppe liegt (die
folglich auch von menschlichen Sammelstellen gern angenommen wird). Man kann
ergoogeln, dass sich Kriebelmücken gern in Gewässernähe aufhalten, da sie ihre Eier
ins Wasser ablegen; ob in fließendes oder stehendes, darüber gibt es unterschiedliche
Erkenntnisse, und warum mich die Viecher regelmäßig in meinem Garten überfallen,
wo es weder das eine noch das andere gibt, ist überhaupt ganz ungeklärt. Jedenfalls
gab es in der letzten Zeit kein Jahr ohne Kriebelmückenbiss, ich kannte sie
langsam, die geschwollenen Fladen-an-den-Waden. Desinfizierende Salbe und anderthalb
Wochen Geduld. Okay. Einmal im Jahr, das überlebt man.
Unlängst erreichte ich allerdings
einen deutlich höheren Level: Das Kriebelvieh, das mich während meines Urlaubs in
Hessen annagte, war so bösartig, mir eine riesige Hautblase zu bescheren, die
sich von einer Brandblase im Grunde nicht unterschied. So etwas hatte ich noch
nie gesehen, und dieser plötzlich entstandene Fremdkörper am Körper bereitete
mir so gruselig-unsichere Gefühle, dass ich erstmalig in meinem Leben einen
ambulanten medizinischen Notdienst in Anspruch nahm. Abgesehen von dem
kafkaesken Erlebnis, um ein ansonsten verlassenes, im Umbau befindliches
Gebäude zu streifen, um überhaupt eine Menschenseele und im Besonderen eine
medizinisch-ambulante aufzufinden, war auch die „Diagnose“ eine atemberaubende.
Ich erfuhr nämlich, dass eine Kriebelmücke durchaus in der Lage ist, eine Kuh
tot umfallen zu lassen. War meine prall gefüllte Hautblase jetzt so lächerlich,
dass man mir verbale Cartoons auf Kassenrechnung servieren musste? Dazu wollte
so gar nicht passen, dass ich nach zwei Tagen erneut in ärztliche Betreuung
sollte, und auf meinem „Kassenzettel“ stand: Kontrolle unbedingt erforderlich
(zwei Ausrufezeichen!!). Das Ganze verunsicherte mich noch mehr, statt mir eine
gewisse Beruhigung zu verleihen. Google hatte mir bereits die Gefahr einer Blutvergiftung
gemeldet, daher auch mein Besuch in diesem ambulanten Dings. Was mir aber nach
wie vor schleierhaft war: Befand ich mich eigentlich im Normbereich mit meiner
Riesenblase? Wie geht es weiter? Was muss ich beachten?
Den Arztbesuch nach zwei Tagen bekam ich so kurzfristig nicht, aber immerhin brachte ein Gespräch mit der freundlichen Sprechstundenhilfe die Erkenntnis, dass meine Kriebel-Version gar nicht selten vorkommt und dass das Ding auf meiner Heimfahrt vermutlich platzen würde (üblicherweise nach sechs Tagen). Das war nichts, was man ohne Weiteres per Google erfahren konnte, und bedeutete immerhin weniger Unsicherheit und mehr „Fahrplan“. Vor allem auch, dass erst dann die ärztliche Kontrolle nötig sein würde, während man jetzt, im geschlossenen Zustand sozusagen, darauf verzichten könne.
Die Heimreise verlief ohne besondere
Vorkommnisse, obwohl die Blase inzwischen die Größe einer kleineren Tomate
angenommen hatte. Was meine Seele etwas piesackte, denn es bestand die
wundervolle Aussicht, dass durchaus auch eine Apfelgröße erreicht werden kann.
Zu Hause erlebte ich dann aber bald den
Blasensprung, denn ich war ganz blöd vor ein Stuhlbein gestoßen. Aua. Endlich
war dieser Druck weg, und ich musste tatsächlich dort, wo mein Fuß gestanden
hatte, den Boden trockenwischen.
Nun also begann die wirkliche ärztliche Kontrolle, ohne Ausrufezeichen, denn ich mach‘ so was freiwillig. Erleichterung, als die Vergiftungsgefahr gebannt war und der Heilungsprozess offenbar einen guten Verlauf nahm.
Nun also begann die wirkliche ärztliche Kontrolle, ohne Ausrufezeichen, denn ich mach‘ so was freiwillig. Erleichterung, als die Vergiftungsgefahr gebannt war und der Heilungsprozess offenbar einen guten Verlauf nahm.
Nun sehe ich Land in Form von neuer
rosiger Haut, ich bin aber noch absolut dünnhäutig: Berge von Verbandsmaterial,
noch-nicht-richtig-Hinguckenwollen und Geduldigsein füllten meine letzten zwei Wochen.
Eigentlich wollte ich so eine Glosse
wie diese erst schreiben, wenn alles verheilt ist. Aber das wird noch dauern.
Beim nächsten Mal (ich reiße mich wirklich nicht drum …!) würde ich die Blase vielleicht
früh öffnen lassen. Aber dazu braucht man die passende Praxis, und „so ganz
ohne“ ist das wohl auch nicht. Immerhin wäre dann der Durchmesser kleiner geblieben.
Kürzlich hörte ich in einer
Radiosendung, dass Parasiten wie die Kriebelmücke das Immunsystem (des Angezapften)
angeblich stärken. Und dass ihre Larven notwendiges Fischfutter sind. Hoffen
wir das Beste.
Marlies Blauth
4 Kommentare:
Liebe Marlies,
Da sind wir schon zwei! Letztes Jahr in Athen hatte ich an meinem Knöchel exakt das gleiche. Der Mann in der Apotheke meinte, er hätte sowas noch nie gesehen... naja, heute hab ich eine wundervolle Narbe (;)) und lerne dazu, dass neben meiner Allergie gegen Mücken Kriebelmücken besonders fies sind :)
Meine Narbe ist restlos verschwunden, vielleicht klappt das ja bei Dir auch.
In den folgenden Jahren hatte ich dann wieder "normale" Kriebel-Bisse. Leider kein Jahr "ohne" ...
Viel Glück!
Liebe Kriebelmückenblasen-Geplagte, leider kann ich dazu nichts sagen, weil ich meine diesbezügliche Blase ja nicht habe öffnen lassen, vielmehr abwartete, bis sie "platzte". Danach war da eine größere Wunde, aber neu gefüllt hat sich nichts.
Danke für den Hinweis, das Aufschneiden scheint also auch keine Lösung zu sein.
Und dann noch mehrere ... GUTE BESSERUNG!
P. S. Was sagt denn der hiesige Arzt? Oder seid Ihr noch nicht wieder in Deutschland?
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