Mühselig und beladen
Der Bücherschrank –
zum Geben und Nehmen – stand etwas versteckt an der Kirchenwand. Schon manches
Mal, wenn ich ein paar Bücher sinnvoll abladen wollte, hatte ich mich gefragt,
ob das unscheinbare, etwas ramponierte Schätzchen überhaupt noch an seinem
Platz steht (und ich meine Bücher wieder mitnehmen muss). Und wunderte mich jedesmal,
dass sein Innenleben einigermaßen intakt blieb. Etwas durcheinandergewuselter
Lesestoff ist ja okay, wenn keinerlei Fremdmaterial drin dümpelt. Ab und zu
nahm ich auch ein Stück „Wegzehrung“ mit. So muss das sein mit den öffentlichen
Bücherschränken.
Diesmal hatte ich eine schöne große Tasche gepackt, mit gebundenen Büchern, die richtig was wiegen.
Ich heiße zwar nicht Marie Kondo, die jedes Stück so ordentlich unter die Lupe
nimmt, aber die Bücher, die nicht mehr in mein Regal passten, nahmen langsam pyramidenhafte
Ausmaße an, während ich von denen, die schon sehr lange artig in Reihe standen,
bestimmt ein paar in Rente schicken konnte. Was man mittlerweile fröhlich ergoogeln
kann, braucht man ebenso wenig in Buchform wie völlig Veraltetes, uninteressant
Gewordenes oder Witzigkeiten, die beim dritten Durchblättern keine mehr sind.
Wenn ich also weiß, dass ich an einem Bücherschrank vorbeikomme, entlasse ich
ein paar dieser Kandidaten und hoffe, dass sie umstandslos adoptiert werden
können.
Diesmal, wie gesagt,
durfte es mal etwas mehr sein.
Und, was war? Er war
weg!
Plötzlich hatte ich das
Gefühl, Wackersteine mit mir zu führen. Mein nächster Termin vertrug sich nicht
mit einer vollgepackten Riesentasche, sondern nur mit einer flach
zusammengefalteten. Einen Auto-Kofferraum zum dezenten Zwischenlagern hatte ich
nicht, denn ich war, wie eigentlich immer, mit den „Öffentlichen“ da.
Beinahe hätte ich Herrn
Luther (in Skulpturenform, natürlich; auf der anderen Seite der Kirche) ein
bisschen gekrault, damit er mir sagt, wie ich den schwer wiegenden Kram am
besten von Körper und Seele kriege. Martinus? Ist der Bücherschrank vielleicht
nur um einige Meter versetzt worden? (Nein). Gibt’s hier einen Papiercontainer?
(Das wäre doch wirklich zu schade, die guten Bücher …!) Ich schlepp die Bücher
aber nicht wieder nach Hause, Martin, das kannste nicht verlangen, auch wenn du
immer für Bücher und Bildung warst.
Und so, als wäre der Vorschlag von ihm gekommen, ging ich mit meinem Gepäck in die Kirche hinein. Wie schön, wenn man sich in Kirchen zu Hause fühlt! Da muss man nicht erst mit Ähs und Öhs umständlich mit der Kommunikation beginnen, wenn man (was bei offenen Kirchen heutzutage die Regel ist) einen Menschen antrifft, der sich auskennt.
Und so, als wäre der Vorschlag von ihm gekommen, ging ich mit meinem Gepäck in die Kirche hinein. Wie schön, wenn man sich in Kirchen zu Hause fühlt! Da muss man nicht erst mit Ähs und Öhs umständlich mit der Kommunikation beginnen, wenn man (was bei offenen Kirchen heutzutage die Regel ist) einen Menschen antrifft, der sich auskennt.
Ja, meinte der
freundliche diensthabende Herr, der Bücherschrank … der gehörte der Kirche ja
gar nicht und war zuletzt nur noch furchtbar. Diente (blöd aufgestellt, was
mich immer schon wunderte) als Abschirmung für Kleindealer, und Drogengeschäfte
im Schatten der Kirche, nein, bitte nicht. Aber …, so der Mann weiter (ich
atmete schon etwas auf), wir haben jetzt hier drinnen ein Regal zum
Büchertausch (puh!), da können Sie Ihre Bücher gern hineinstellen.
Ich hätte das adrette Regal
am liebsten umarmt, denn es bot noch genügend Platz für meine Bücherrentnerschar.
Noch nie habe ich eine
tonnenschwere Last in einer Kirche abgeladen. Eigentlich ist das ja auch anders
gemeint; aber diese Form der Seelsorge war mir allemal recht. Vielen Dank!
© Marlies Blauth
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