Sonntag, 12. Juni 2022

#Herbarium Tagebuch | 6

 


Im Paradies mit Vogelwesen und Drachen:
St. Maria zur Höhe (Hohnekirche) in Soest

 

 









Heute bin ich in einer ganz anderen Epoche unterwegs: Die Malereien in der Hohnekirche sind 800 Jahre alt.

Die Kirche kenne ich seit meinen Kindertagen, ich erinnere mich noch an mein Staunen: Form und Farbe einerseits, Kirchenarchitektur und -geschichte andererseits interessieren mich, seit ich denken kann.

Soest ist überhaupt eine bezaubernde Stadt. Davon gibt es selbstverständlich noch viele andere, aber die alte Hansestadt konnte damals vor allem durch ihre Ruhrgebietsnähe punkten: in knapp 50 Kilometern Entfernung war eine völlig andere Welt, mit adretten Fachwerkhäusern und vielen beeindruckenden Kirchen.

Fast etwas unscheinbar liegt St. Maria zur Höhe – Hohnekirche klingt für mich nicht schön, erinnert so an Hohn – auf ihrem Hügel. Wie die anderen Kirchenbauten in der Stadt ist sie aus diesem besonderen grünen Sandstein (korrekt: Grünstein), den man in Soest immer wieder findet. Früher glaubte ich, die Bauten hätten Moos angesetzt; aber nein.








Betritt man die Kirche, wird man sogleich eingenommen von lebhaften Formen und Farben. Interessant ist, dass die Malerei an den Wänden Tapisserien nachempfunden ist, mit gemalten Fransen, sogar die „Aufhängungen“ hat man gemalt, inklusive Haken, die sich von denen, die man heute im Baumarkt kaufen kann, nicht unterscheiden. Auch ein Tuch ist gemalt, die Malerei hat offenbar ein echtes Tuch ersetzt (siehe Wikipedia).









Die Heiligendarstellungen mit ihren goldleuchtenden Heiligendarstellungen sind faszinierend; mich interessieren heute allerdings mehr die ornamentalen Malereien in den Gewölben und an den Säulen.

 






Das Paradies war (und ist) eben keine Steinwüste, sondern belebt und beseelt.

Vielleicht ist es ja einfach als Bild für funktionierende Ökologie gemeint, und damals, als man diese Bezeichnung weder kannte noch benutzte, hat man ästhetisch das ausgedrückt, was wir heute mühsam lernen müssen: beispielsweise Kaninchen und Katzen auf fernen Inseln auszusetzen, war eine ebenso schlechte Idee, wie dem Artensterben hierzulande tatenlos zuzusehen. Aber auch – gottgleich  Neues, neue Wesen zu kreieren und damit (nicht nur) das ökologische Gleichgewicht ins Wanken zu bringen, ist absolut nicht ratsam.

 





Die Drachen als Sinnbilder des Mysteriösen und Furchtbaren – heute sind es die Bilder der gestachelten Bälle aus dem Elektronenmikroskop, die das Böse verkörpern und uns das Fürchten lehren. Mit dem einen wie mit dem anderen müssen wir allerdings leben, und in einer Kirche gilt tröstlicherweise der Zusatz: mit Gottes Hilfe.

 



 

Marlies Blauth | 10. Juni 2022

Text und Fotos © Marlies Blauth

 

 





 


1 Kommentar:

ilseluise ~ Clownerie und Theologie hat gesagt…

vielen Dank für die schönen Fotos nebst Erklärungen, Hiltrud