Montag, 29. August 2022

#Herbarium Tagebuch | 16

 







Eigentlich sollte diese Ausstellung erst im Herbst 2023 stattfinden, denn dann sind es zwanzig Jahre, in denen ich das Projekt "Kunst in der Apsis" organisiere und betreue.

Nun ergab sich jedoch – wegen Erkrankung der eigentlich vorgesehenen Künstlerin – kurzfristig eine Lücke, die ich aus verschiedenen Gründen selbst ausfülle. Einer davon: Tatsächlich starteten die Ausstellungen bereits im Herbst 2002, damals noch initiiert von Falk Neefken, Pfarrer i. R. von Osterath, Superintendent i. R. des Kirchenkreises. Seiner Idee ist es also zu verdanken, dass die Evangelische Kirche Osterath ein Kunstprojekt verwirklicht hat, das es in der Form selten gibt: Außer in der Weihnachtszeit mit ihrer Dekoration ist in der Kirche immer Kunst zu sehen, die sich auf die Themen der jeweiligen Zeit im Kirchenjahr bezieht und entsprechend wechselt.


 



Aus dem Pressetext:

Jetzt beginnt der Spätsommer und damit die Erntedankzeit.

Marlies Blauth zeigt Florale Ornamente, Bilder in bandartigen Querformaten, technisch gesehen Malerei mit Collage kombiniert. Die Idee kam ihr 2020 in der Neuwerkkirche in Goslar, einer romanischen Kirche mit Ausmalungen aus dem 13. Jahrhundert. Neben Heiligendarstellungen gibt es immer auch abstrakte und florale Zierbänder zu sehen. Genau diese inspirierten die Künstlerin, einzelne Formen- und Farbendetails aufzunehmen und in ihren Bildern zu verarbeiten. Dabei möchte sie weder die alte Kunst kopieren, noch hält sie sich an das streng-Ornamentale: Ihre Arbeit ist, bis auf wenige Ausnahmen, ein Spiel mit der Variation – ganz in Entsprechung zur Natur, wo zwar der "Bauplan" der Pflanzen gleich ist, das Erscheinungsbild aber immer unterschiedlich (Größe, Farbintensität usw.). 





Erwähnenswert ist die Benutzung von Teebeutelvlies, also Resten von Schwarzem und Grünem Tee. Das Vlies selbst – übrigens ein Gewebe pflanzlichen Ursprungs – fühlt sich an wie ein zartes Blütenblatt, wenn es geleert, aufgeschnitten und getrocknet ist. Die Zufallsstrukturen des Tees erinnern indes an Verwitterungen oder Ausblühungen alter Mauern. Das "Tee-Material" wurde also nicht willkürlich eingesetzt, sondern es verbindet, ästhetisch nachvollziehbar, das florale Thema mit der Wandmalerei. 







Was also 2020 langsam begann, wurde 2022 zu einem Stipendienprojekt des Landes NRW: Marlies Blauth besuchte zahlreiche Kirchen und recherchierte. Neben mittelalterlichen Ausmalungen wurden – fast noch mehr, weil deutlich "pflanzlicher"– die Malereien um 1900 interessant, als sich der Repräsentationswille der Kaiserzeit mit dem Jugendstil zusammentraf. Die All-over-Dekorationen können durchaus befremdlich wirken, gleichzeitig aber strahlen sie Lebendigkeit und Wärme aus, und gegenwärtig können sie sogar als Hinweis auf Natur und ihre Ökologie gesehen werden. Damals war man zwar noch nicht so weit, hatte aber durchaus schon die Natur im Blick: Architekten entwarfen "gesunde" Gartenstädte,  die Kleidung wurde bequemer ("Reformkleider") usw. Die ornamentalen Ausmalungen in den Kirchen wirken oft orientalisch. In den alten Kirchen (z. B. St. Maria zur Höhe, Soest) ist der Bezug zu Byzanz einerseits, das "Mitbringen" orientalischer Formensprache durch Reisende andererseits ablesbar. In den neueren, gut einhundert Jahre alten Kirchen (t. B. ev. Hauptkirche Rheydt) muss die Verbindung des deutschen Kaiserreiches zum Osmanischen Reich eine Rolle gespielt haben. Viele Fragen dazu scheinen aber noch offen zu sein. Interessant ist aber auch, dass es wenig theologische Bezüge gibt (außer Weinreben, Lilien, Rosen).

 






Marlies Blauth selbst hat viele Entdeckungen machen können, hinter grauen Kirchenmauern verbergen sich manchmal ungeahnte Kostbarkeiten. Die Bilder der Künstlerin sollen auch ein ausschnitthafter Hinweis darauf sein. 

Blätter, Blüten, Früchte und Wurzeln sind bekanntlich vielfach essbar und werden dementsprechend geerntet: Was in den ausgemalten Kirchen ganzjährig zu sehen ist, wird hier in der Evangelischen Kirche Osterath zur Erntedankzeit gezeigt. 





 

Zur Künstlerin: Marlies Blauth, *1957 in Dortmund, lebt und arbeitet seit 30 Jahren in Meerbusch. 21 Jahre war sie an der Universität Wuppertal Lehrbeauftragte für Druckgrafik und experimentelle Grafik, sie zeigte (und zeigt) ihre Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen. Seit 2006 veröffentlicht sie auch Literarisches (v. a. Lyrik). 

 



 

Die Ausstellung in der Ev. Kirche Osterath geht bis Ende Oktober. 

Eröffnet wird sie am Sonntag, dem 4. September 2022, um 11.3o Uhr – mit einer Begrüßung von Falk Neefken und einer kurzen Einführung von Marina Jenkner. 

Alte Poststraße 15, 40670 Meerbusch-Osterath

Zu besichtigen ist die Ausstellung mittwochs bis freitags 9 – 12 Uhr, außerdem nach Vereinbarung unter 0175 52 180 83. Die Gottesdienste finden in der Regel sonntags um 10 Uhr statt. 


Marlies Blauth


Text und Fotos © Marlies Blauth

 

 




 

1 Kommentar:

Unitec hat gesagt…

Wundervolle Ausstellung wie ich finde;)