Ausschreibungen. Eine Glosse.
Ja. Ich habe es getan. Obwohl ich wusste, dass genau das bescheuert ist. Aber welche Art Lottospiel ist eigentlich nicht bescheuert?
In der großen Nachbarstadt gibt es eine große, wichtige Ausstellung. Dafür kann man sich bewerben.
Mit den Jahren bin ich, eigentlich Großstädterin, leider zur
Landpomeranze mutiert; eher unfreiwillig, aber zunächst nicht vollkommen
ungern.
Leider ist hier, wohl „traditionell“, künstlerisch nicht viel
los. Manchmal ist man bemüht, aber selten kommt was wirklich Kunst- und Künstlerförderndes
dabei heraus. Schützenverein vielleicht? (Nein, nein, jedenfalls ich nicht).
Also: Orientierung weg vom platten Land.
Die Nachbarstadt ist, wie gesagt, groß und hat gaaaanz viele
Künstlerinnen und Künstler. So viele, dass dieser Riesenschwarm eher zur
Tarnung dient; das kennt man ja aus dem Tierreich. Vielleicht braucht man irgendwelche
Bekanntschaften mit Förderlaune, irgendsowas. Damit kann ich nicht dienen, weil
ich – Ruhrgebietskind – ja „nicht von hier“ bin und bei meinen Schritten in
besagte Großstadt immer wieder steckenbleibe. Sie hat eben schon mehr als genug
Kunstschaffende.
Nun war wieder Bewerbungszeit. In einem Augenblick überschäumenden Muts bzw. Überheblichkeit („so was macht im Moment ja keiner … könnte durchaus für mich sprechen“) habe ich alles zusammengesucht, was in Frage kam, mir ein schönes Foto von den Bildern machen lassen, mich durch den digitalen Formularwald gequält und – und das hätte mich eigentlich abhalten sollen – meine Bewerbungsgebühr brav entrichtet. Ja: Man muss Eintritt zahlen … auch wenn das Theater dann abgesagt wird.
Und es wurde abgesagt, jedenfalls mir (und einer mir unbekannten Zahl anderer LeidensgenossInnen). Das Sümmchen, das allein die Rausgeworfenen zahlen mussten, hätten wir wohl alle gern.
Ruhrgebietskind: Bisse bekloppt? Ich: Ja aber … wer
nichts versucht, hat schon gleich verloren ... Hömma!
Überhaupt können Ausschreibungsstatuten ein Ärgernis sein, selbst wenn sie nicht pekuniärer Art sind: Oft, viel zu oft gibt es eine Altersgrenze von 35 oder 40 Jahren (Achtung, Spätberufene: Ihr seid so gut wie tot, aber vielleicht nimmt euch ja die Jury auf, denn die darf betagt sein); ferner freut es mich jedesmal zu lesen, „die Arbeiten dürfen nicht älter sein als zwei Jahre“; ja WARUM denn in drei Teufels Namen nicht? Auch pinselfrisch entstandene Kunst kann ein bisschen überkommen wirken, während „ältere“ möglicherweise hochaktuell ist. Das zu sortieren, behält sich ja schließlich die Auswahlkommission = Jury vor. Da sollte es eigentlich egal sein, welche Jahreszahl draufsteht. Die Jury kennt uns eh nicht, also weiß sie auch nicht, woran wir aktuell arbeiten. Etwas anders liegt der Fall, wenn eine KünstlerInnenvereinigung eine Jahresschau zeigt: Da steht das Interesse, „was wir gerade so machen“, durchaus im Vordergrund. Aber eine solche Ausstellung wird selten unter den Mitgliedern ausgeschrieben, sie findet einfach statt. Wobei die Hängung, die Zusammenstellung der kunterbunten Sammlung ein Kunststück für sich ist, aber das soll hier nicht weiter stören.
Ärgerlich ist auch ein streng-regionales Einschränken: Da muss ein Wohnort schon mal in DER betreffenden Stadt sein. Ich wandte mich an „meine“ Kreisstadt: Neinnein, Sie müssen schon hier wohnen, um sich bewerben zu können. – Ich, die Landpomeranze, schwieg betreten.
Auch meine, sonst eher geliebte, Heimatstadt hat es für ein
bestimmtes Projekt nicht akzeptiert, dass man, wie Grönemeyer einst sang, „ich
komm aus dir“ sagen kann. Nein, bei mir ist es nicht Bochum (aber so ähnlich). 20
Jahre hatte ich dort gelebt, meine ersten künstlerischen Gehversuche gemacht an
der dortigen FH, obwohl ich noch Schülerin war. Eine Tochter der Stadt zu
werden, erfordert offenbar ein paar Leistungen mehr, als ich sie bieten kann.
Schließlich bin ich inzwischen Adoptivtochter eines eher dörflichen Umfeldes.
Dass ich hierzulande nicht viel leisten kann, hatte ich ja schon gesagt. Wobei
ich mir wirklich Mühe gebe; seit 20 Jahren organisiere ich hier ein
Ausstellungsprojekt. Zum Glück kann ich meine „Ausschreibungskonditionen“
selbst festlegen: Bisher musste niemand eine Bewerbungsgebühr zahlen, der
Wohnort ist egal (ob der Weg zu weit ist, entscheiden die Künstler selbst), eine
Altersgrenze gibt es nicht, und wer mag, kann zwanzig Jahre alte Bilder zeigen.
Geht doch.
Oben ist übrigens ein Bild zu sehen, das ich zu einer – wie meist
– thematischen Ausstellung einreichen wollte. Es hätte so gut gepasst. Aber es ist
von 1987.
Text und Bild © Marlies Blauth
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