Ockergold und Taubengrau –
Art Déco in Osnabrück
Die Lutherkirche in der Südstadt
„Wieviele Kirchen musst du denn noch?“, werde ich manchmal gefragt. Was aber heißt hier müssen? Ich hatte das große Glück, (m)ein Thema frei wählen zu können, und mein Interesse ist tatsächlich immer weiter gewachsen, beileibe nicht geschrumpft – auch wenn das eigentliche Projekt längst „offiziell“ beendet ist. Da ich mehr Zeit zur Verfügung habe, kann ich nun auch Kirchen ansehen, die etwas weiter entfernt liegen; wie schön! Auf meinem „Zettel“ steht, neben ein paar weiteren, die Lutherkirche in Osnabrück.
Ich erlebe gleich schon
Freundlichkeit; vor einer längeren Anfahrt will ich natürlich sicherstellen,
dass ich in die Kirche auch hineinkomme. So mache ich mit einem freundlichen
Herrn per Mail ein Datum mit Uhrzeit aus und erhalte auch gleich schon eine
Fotoerlaubnis.
Freundlich ist auch die
Kirche: ihre Tür steht einladend offen, ihr Innenraum umfängt die Besucher mit
sanften Goldtönen. Nicht opulent glitzernd, sondern in Ockertönen, gegen die
zarte blaugraue Nuancen hier und da violett wirken.
Florales ist hier wenig zu finden; die abstrakten Art Déco-Formen überwiegen deutlich. Wenn man aber genau hinschaut, entdeckt man doch ein paar Blüten und Blätter. Und: Schnecken! Das sind keine Pflanzen, nein, aber ihre Gestalt lässt doch viel Interpretationsspielraum zu – vom tierischen spiraligen Häuschen über pflanzliche Ranken bis hin zur Unendlichkeit der Spiralform. Christus, der Auferstandene, der Weltenherrscher, der Segnende (die einzige figürliche Darstellung, in der Apsis) ist umgeben von symbolischer Unendlichkeit, ja geradezu darin eingebettet. Dabei sind die Schneckenformen so dezent, dass man zweimal hinsehen muss, um sie zu sehen.
Ornamentale Bänder selbst könnte man währenddessen genauso als Hinweis auf das
Unendliche ansehen, denn sie besitzen ja weder Anfang noch Ende; in
„verlässlicher“ Folge des Gleichen oder Ähnlichen winden sie sich durch den
Raum und, vielleicht, in unserer Vorstellung auch weiter. Was zeitweise als
überflüssige Dekoration abgelehnt wurde, spricht nicht nur zu unseren Sinnen,
sondern kann auch eine starke symbolische Aussage haben.
Auch diese Wandmalerei ist
zeitweise übertüncht gewesen; wir kennen es schon. Die 1950er Jahre wollen
schnörkellos sein, ihre hellen Farben oder überhaupt die Vorliebe für Weiß sehe
ich immer als Zeichen für den Neuanfang, makellos und rein.
Nur ist ein Raumkonzept mit
Ausmalungen immer als ein Gesamtkunstwerk gedacht, und wenn Farbe und Ornament
fehlen, wird das Fehlen eben auch deutlich spürbar. Die Lutherkirche blieb vor
Kriegszerstörung weitgehend verschont, so dass – außer den Fenstern – die
Originalausstattung erhalten blieb. Dann wird die „Störung“ durch einfarbig
helle Wände, wie sie nie vorgesehen waren, umso deutlicher. Jedenfalls hat man
auch hier den Originalzustand wiederhergestellt (1989) – zum Glück.
Für meine Fotos räumt eine freundliche Dame das Putzzeug, das sie bis dahin benutzt hat, aus dem Bild. Eine andere kümmert sich um den Verkauf der kleinen Kirchenbroschüre an mich, obwohl sie eigentlich nicht zuständig ist dafür (ich holte sie aus der Küche – die diese Kirche auch besitzt).
Ein zweiter Fotograf kommt
(das heißt: ich bin ja keine Fotografin, dokumentiere nur ein bisschen) – er macht
die verrücktesten Verrenkungen, um an – zweifellos interessante – Fotos zu
kommen. Wir lächeln uns freundlich an.
Ja, so soll Kirche sein: „ …
sehet, wie freundlich Gott ist!“ gilt auch außerhalb der Abendmahlsliturgie.
Marlies Blauth | 28. August 2023
Text und Fotos © Marlies Blauth
2 Kommentare:
Liebe Frau Blauth, was für eine schöne Beschreibung!! Dürfen wir sie auf unserer Gemeindewebsite www.suedstadtkirchengemeinde.de veröffentlichen? Das wäre ganz wunderbar. Herzliche Grüße, Ina von Häfen, Pastorin ina.vonhaefen@evlka.de
Ja, sehr gern. Ich schreibe Ihnen auch noch einmal persönlich.
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