Montag, 3. Januar 2011

Ausstellung im Kunstraum Notkirche, Essen: Tagebuch – Stundenbuch





Tagebuch – Stundenbuch nennen fünf bildende Künstlerinnen und ein Komponist aus dem Raum Meerbusch ihre Ausstellung im Kunstraum Notkirche, Mülheimer Str. 70, 45145 Essen. Am 6.2.2011 um 18 Uhr eröffnet der Vizepräsident des Landtags NRW, Oliver Keymis, die Präsentation von Bildern und Objekten mit Musik (Isabelle Exbrayat-Jean, Violoncello).
"Gefunden" haben sich die Künstlerinnen und der Künstler – Norbert Laufer, Lore Schneider-Pohrt, Victoria Peek, Gisela Bretz, Marlies Blauth und Ingeborg Hartmann Keller († 2010)  –  bei verschiedenen Projekten in Meerbusch bei Düsseldorf/ Krefeld, z. B. einer Nacht der Offenen Kirchen, nach der beschlossen wurde, die viel versprechende Liaison Kirche und Kunst zu halten und zu vertiefen. Außerdem arbeitet Marlies Blauth maßgeblich in der Ev. Kirche Meerbusch-Osterath mit, deren Projekt Kunst in der Apsis so langsam auch überregionale Beachtung findet.
Ausgehend von der musikalischen Komposition Tagebuch des Komponisten Norbert Laufer (*1960), haben die bildenden Künstlerinnen sich mit der Verflechtung subjektives, augenblicksbezogenes Erleben – zeitenthobene Erfahrung auseinandergesetzt. Tägliche musikalische Skizzen von Laufer betonen den individuellen Moment;  währenddessen sind von Ingeborg Hartmann Keller meditative Fahnen mit Schriftelementen aus verschiedenen Kulturen und Religionen zu sehen, die sich, ganz nah am "Stundenbuch", mit Buße und Vergebung befassen. Marlies Blauth (*1957) verbindet beide Positionen: Indem sie aus Verpackungen und Etiketten Wortfragmente sammelt, hebt sie banale Alltagswörter auf eine höhere Ebene (Pastille wird zu stille, Leinsamenbrot zu amen). Gesammelt hat auch Victoria Peek (*1943): Mit Fragmenten aus Tagebuchaufzeichnungen von ihr nahe stehenden Personen "baut" sie Bilder aus Collagen; hier zeigt sich der persönliche Duktus, mit dem Erlebtes individuell notiert wurde. Mit Collagen arbeitet auch Lore Schneider-Pohrt: Eigentlich aus der Druckgrafik kommend (Radierung, Monotypie, Prägedruck), stellt sie Zeitdokumente aus den 80er Jahren zu Bildern zusammen, mit denen sie Tagebuchelemente und Zeitgeschehen miteinander verknüpft. Gisela Bretz (*1941) führt uns in unendliche Zeiträume, indem sie das Material Stein verarbeitet, das Millionen und Abermillionen Jahre Erdgeschichte "mitbringt". In ihrer Arbeit zeigt sie vielfach das Innere der Steine, zeigt komprimierte Zeit, komprimierte Kraft. In ihrer Installation Tagebücher nimmt sie zusätzlich Bezug auf die Gestalt des Buches, das uns als komprimierte Information natürlich schon bekannt ist, in steinerner Form allerdings noch einmal eindringlicher wird.
Norbert Laufer bezieht seine Tagebuch-Partitur auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt und berührt auf diese Weise die Bildende Kunst, die solche "disziplinierten" Aufzeichnungen auch kennt (genannt sei hier vor allem Hanne Darboven, die selbst wiederum Brücken zur Musik schlug). Die Ausstellung zeigt uns – und macht, während der Vernissage, auch hörbar –, wie wir chiffrieren und dechiffrieren und uns in einer Welt der Informationsfluten zurechtfinden müssen, vielleicht, indem wir das lange, vielleicht sogar unbefristet Gültige vom Kurzlebigen trennen und subjektive Sichtweisen in einen allgemeinen Erfahrungsschatz einflechten.


Die Ausstellung ist dienstags bis freitags 10 – 17 Uhr, samstags 10 – 13 Uhr und sonntags 12 – 13 Uhr und nach Vereinbarung (Tel. 0201-740788) geöffnet.


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