Korrekturen
Man
kann es auch übertreiben. Bei Twitter beispielsweise meldet sich hin und wieder
@Der_Oberlehrer zu Wort, vermutlich ein Bot, der (fast) alles auffischt, was
nicht der Rechtschreibung entspricht, und es so sklavisch wie unerbittlich
ahndet. Wenn wir uns, was durchaus vorkommt, mal ganz nostalgisch einen Ausflug
– Ausfluch – ins Ruhr(gebiets)deutsch gönnen, labert dieser Oberlehrer
dazwischen, dass das so nicht geht: Es müsse
Ausflug heißen. Na gut. Es sei ihm verziehen – sieht er sich doch offenbar
selbst als ironische Figur, sein Avatar ist denn auch von Wilhelm Busch
geklaut. Wie hieß der noch? Richtig: Lehrer Lämpel.
Genauso
fühle ich mich manchmal. Und, besonders schlimm: immer öfter. Nicht, dass ich
selbst alles richtig schreiben würde – ich bin ein Mensch, kein Roboter oder
Bot. Aber ich habe doch noch die – wohl altertümliche – Vorstellung, dass man
alles, was man auf irgendeine Weise losschickt, nochmal durchlesen und
gegebenenfalls verbessern sollte. Meinen Kindern ist das natürlich sehr lästig,
wenn Mama, die Oberlehrerin, wieder was findet – wobei sie nicht unterscheidet zwischen
der konventionellen Hausaufgabe und der Veröffentlichung im Netz, zumindest
wenn es um einen ausgewachsenen Blogeintrag geht. Tweets erledigt ja der
Oberlehrer – ob der auch bei facebook seine Oberpedanterie zur Schau stellt,
weiß ich nicht.
Wenn
ich Entwürfe bekomme für einen Einladungsflyer – für meine eigene Ausstellung –
oder „meine“ Seite in einem Kunstkatalog, is‘ klar, dass ich dann nach bestem
Wissen korrigiere. Im Zweifelsfall bleibt ein Detail natürlich so, wie es ist; die letzte
Rechtschreibreform hat mich mit all den späteren Überarbeitungen und auch dem
mehrheitlichen Ignorieren mancher Aufgepropftheiten ziemlich irritiert,
beispielsweise was Zusammen- und Getrenntschreibung betrifft. Aber die allerdicksten
Schoten will ich denn doch nicht an meinen Namen geheftet sehen. Und zwar auch nicht die typografisch falschen – der Schriftsatz hat nämlich seine eigenen Gesetze
(ja, hat er!), die genauso wichtig sind wie die Orthografie. Seit nahezu jeder was
in die Tasten kloppt und es schnurstracks veröffentlicht, ergeben sich da neben
den Rechtschreibregeln noch andere tückische Abgründe. Für beide Klippen gilt: Jeden Fehler, den man selbst macht, findet man mit Sicherheit irgendwo
bestätigt. Siehste.
Wenn
der Metzger sein Steak-Sonderangebot auf das maisgelbe oder froschgrüne
A5-Zettelchen kopiert, muss das ortho- und typografisch nicht unbedingt stimmen
(auch wenn es erfreulich wäre). Wir Künstler haben aber naturgemäß mit –
möglichst guter – Gestaltung zu tun und wollen, dass sich das auch im
Schriftkram, der sich mit unserer Arbeit befasst, widerspiegelt.
Als
Designstudentin hatte ich natürlich auch „Typo“ abzusolvieren. Ganz
vorsintflutlich noch – mein Praktikum machte ich noch in einer Blei(!)-Setzerei.
Und ich besuchte mal jemanden, der an einer Blei-Setzmaschine – für eine
Zeitung – arbeitete: Man muss sich vorstellen, dass auf Tastendruck jede
Bleiletter neu gegossen und eingepasst wurde. Deswegen auch dieses Monstrum von
Maschine, deren lustiges Pling-pling mir heute noch im Ohr klingt. Wir alle
wissen: Da hat sich in relativ kurzer Zeit Enormes verändert, ja umgekrempelt.
Nicht
wesentlich geändert haben sich allerdings die typografischen Normen. Mit unserem
„Oberlehrer“ damals verstand ich mich recht gut, als Semesterarbeit lieferte
ich ihm was Lustiges, nämlich einen „typografischen Eintopf“. Ich kaufte alles,
was erschwinglich war – auch einige Suppendosen, daher der Titel – , auf dessen
Etiketten entweder supergut umgesetzt oder aber regelrecht verhöhnt war, was
wir gerade gelernt hatten. Mir machte es Spaß, mit typografischem Blick durch
die Gestaltungslandschaft zu streifen, aber am wichtigsten war für
uns zu lernen und alsbald zu wissen, dass es solche Übereinkünfte für die
Schriftanwendung überhaupt gab. In der Schule hatten wir davon noch nie etwas
gehört.
Dass
sogar „Professionelle“ noch immer das „ß“ in Versalien – Großbuchstaben –
betten (wie wir früher in der Schülerzeitung), obwohl dieser Ausreißer eben
kein Großbuchstabe ist und dafür bloß ein schlichtlangweiliges Doppel-S zu
bieten hat, wundert mich genauso wie die sture Weigerung, einen Gedankenstrich
zu benutzen. Der Trennstrich tut’s auch – ja, sicher. Nur: Auf allem, was gut
gestaltet ist oder sein will im Sinne von soll, fällt’s auf. Dafür liest man,
wohl als eine Art Ausgleich, dass Doppelnamen wie Marie – Luise Blauth –
Drachenkopf gern mal gedanklich auseinander gezogen werden. Da wäre der Sinn
dieses Gedankenstriches „übersetzt“ aber ein bis: 15 – 17 Uhr.
Ja,
und dann steht es da, steht man da. Soll man es so lassen oder nicht? Der Ton
wird schärfer, denn, siehe oben: Das Falsche wird ständig durchs Falsche beglaubigt.
Was vor einiger Zeit noch Respekt einbrachte – musste ich nicht haben, ich
erwähne es nur –, wird heute abgebügelt. Weil man es doch immer so liest, wird es auch richtig sein! Pingeltante Blauth!
Aber nicht
nur der Ton wird schärfer, auch die Fehler werden doller. Es geht ja nicht nur
um irgendwelche Spitzfindigkeiten, die korrigiert man eben mit oder nicht. Aber
wenn eine Tabelle verrutscht, das Layout dilettantisch wirkt, Namen
falsch geschrieben sind oder ganze Wörter fehlen, werde ich pampig, vor allem dann,
wenn es sich um die schon korrigierte Fassung handelt. Meine Visitenkarten
beispielsweise haben auf diese Weise einen entscheidenden Geburtsfehler
erlitten: zu Tausenden fehlt ihnen jetzt eine Ziffer meiner Handynummer.
Eigentlich sollte die Schriftfarbe nur etwas abgedunkelt werden. Ich habe diese
letzte Version nicht nochmal
angesehen, weil ja alles klar war. Es wäre falsch gewesen, Theater zu machen –
es kommt ja immer auch drauf an, wer einem die Druckvorlage macht (ich selbst
bin, wie gesagt, noch aus der Bleisatz-Generation), ob man vielleicht nochmal
eine („bezahlbare“) braucht. Also nehme ich jetzt immer beherzt den Fineliner
und ergänze die „3“ handschriftlich.
Was aber den Auslöser
gab, diese kleine Korrektur-Glosse zu schreiben, ist die alleraktuellste
Fehlerquelle, nämlich die Intelligenz der mobilen Geräte, die schon mal Wörter
nach ihrem wie auch immer generierten Gutdünken abändert. Oder offenbar auch
schluckt.
Die Kollegin
fragte mich an Vortag, ob ich bei einer – unjurierten – Gruppenausstellung mitmachen
möchte. Ich sagte: Ja – was aber durch gleichzeitig hinzukommende und sich
verabschiedende Menschen möglicherweise etwas nebulös rüberkam. Als ich nun also
eine Mail mit derselben Frage erhielt, schrieb ich ein fröhliches Ja, hatte ich doch schon bestätigt
zurück. Dass das Wort „mitmachen“ fehlte, entdeckte ich zwar en passant, machte
mir aber nichts draus: Kann ja mal passieren.
Die
Künstlervereinigung traf sich, ich war – leider – verhindert. Sonst hätte
ich noch gerade rechtzeitig meinen Protest loslassen können: Auf dem Treffen wurde nämlich erfreut
konstatiert, dass ich bereit bin, die besagte Ausstellung zu organisieren. Dieses Wort war es, das in der Mail gefehlt hatte.
Jetzt weiß
ich, wie man als Jungfrau zum Kinde kommt!
Und
demnächst, das schwöre ich, bin ich noch pingeliger als der Oberlehrer bei
Twitter.
Marlies
Blauth (bitte mit „e“ und mit „h“)
Foto und Text: © Marlies Blauth
Foto und Text: © Marlies Blauth
2 Kommentare:
Herrlich geschrieben und auf den Punkt gebracht. Ich habe am Wochenende auch an die 10 Stunden Korrektur gelesen und mir manchmal die Haare gerauft, als ob es Trennungs- und Satzzeichenregeln gar keine mehr gäbe, vom inzwischen wohl unumkehrbar eingedeutschten "englischen" Genitiv und regelrechter Grammatik ganz zu schweigen... Wir sind also dann schon zwei, die da mal pampig werden können... Lieben Gruß Ghislana
☻ Das "Doofen-Komma" und der entsprechende Apostroph – Karlo Krokodil's Imbiss – fehlen leider, sonst wäre der Text zu lang geworden. Ich habe eine gewisse Gleichgültigkeit "angesetzt"; aber 1. will ich nichts für fehlerhaftes Zeug zahlen (z. B. schlecht redigierte Zeitungen) und 2. möchte ich, wie im Text schon erwähnt, nichts nachlässig Gestaltetes haben, wenn es um meine eigenen beruflichen Belange geht. - Danke für Deine Bestätigung, Ghislana!
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