Mittwoch, 26. März 2014

Meine Psalm-Bilder




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Als ich mich für die Ausstellung Refugium in der Bunkerkirche St. Sakrament, Düsseldorf-Heerdt, vorbereitete, fiel mir sofort das Sprichwort ein: Not lehrt beten. Irgendwann muss es meine Mutter einmal zitiert haben, ganz sicher mit dem Zusatz, dass man, also ich, hin und wieder auch Dankesworte in eine Gebetsform bringen sollte. So ambivalent das Verhältnis meiner Mutter zu Kirche und Glaube war, so tief sind auch die religiösen Spuren, die sie bei mir hinterlassen hat.
In dieser Erinnerung, die auch kombiniert ist mit den Berichten meiner Eltern über den Zweiten Weltkrieg, wollte ich in dieser Ausstellung sichtbar machen, dass das Gebet auch Zuflucht sein kann. Mag es auch noch so persönlich formuliert sein, mag man sich kirchlich noch so wenig gebunden fühlen: Der Ausdruck von Hoffnung, hier Geborgenheit zu finden, unversehrt zu bleiben, oder die Bitte, dass draußen, vor den Mauern des Bunkers, kein Inferno stattfinden möge, sind ja zweifellos Gebete.
Die Psalmen, diese uralten Gebete, sind uns fremd und vertraut zugleich. Mancher kennt sie (noch), erinnert sich vielleicht. So kann man auf meinen Tafeln oft nur Fragmente lesen, ähnlich wie man solche Bruchstücke aus der Erinnerung „hervorholt“. Sicher spielt da auch wieder meine religiöse Erziehung eine Rolle. Auf meine Frage, warum ich Liedtexte, Bibelstellen etc. auswendig lernen soll, antwortete meine Mutter: Dann hast du es in der Not parat. Das war für mich als Konfirmandin eine völlig verquere Welt, mich überzeugte das überhaupt nicht.
Andererseits habe ich in der Zwischenzeit hin und wieder erlebt, an was für seidenen Fäden das menschliche Leben hängen kann und auf welche Weise ein Mensch seiner Verzweiflung Ausdruck gibt. Vieles von dem, was in den Psalmen zu lesen ist, betrifft uns noch ganz genauso wie unsere Vor-Vorfahren.
Ich habe die Psalmen nicht ihrem jeweiligen Inhalt entsprechend gestaltet, sondern habe sie schlicht mit der Hand abgeschrieben: mit Bleistift, Kugelschreiber, Tusche; ich habe sie in Papier geritzt, mit dem Pinsel aufgetragen, in nasse Farbe gefurcht, also bewusst einfachste Materialien benutzt, die vielleicht auch „in der Not“ verfügbar sind. Ästhetisch habe ich ein „Sowohl-als-Auch“ gewählt: Einerseits wirkt die Materialität fast wie Stein, andererseits sind die Einwirkungen der Zeit deutlich, Beschädigungen, Vergilbungen deuten uralte Buchseiten an, auf die man vielleicht nach langer Zeit wieder einmal schaut. Ich habe versucht, das Gegen- und Miteinander von Beständigkeit und Veränderung ästhetisch zu verdeutlichen.
Last noch least: Das Schreiben als Prozess war durchaus „meditativ“, gerade in einer Zeit, in der das Handschriftliche immer weiter an Bedeutung verliert (ich fand kürzlich eine Meldung, dass man irgendwo in den USA zumindest überlegt, ob man den Kindern überhaupt noch beibringen soll, mit der Hand zu schreiben).


Marlies Blauth 













1 Kommentar:

hehocra hat gesagt…

Ergänzend zu meinen Ausführungen auf Facebook, hier noch ein interessanter Link zur Wertschätzung durch Handschrift: http://www.notizbuchblog.de/2014/03/25/wertschaetzung-und-menschliche-naehe-durch-handschrift/
Liebe Grüße, Doreen