Marlies
Blauth „zarte takte tröpfelt die zeit“
Marlies Blauth schreibt ... nein, sie malt mit Worten Bilder.
Kindheitserinnerungsbilder. Sie leuchten wie Perlen. „Liebesperlen am Kiosk
beim Klirren der Flaschen“. Eigene Erinnerungen steigen, dies lesend, dabei auf:
Quietschsüße rote Schaumherzen am Kiosk im Schwimmbad, solche vielleicht.
Bilder in einer Vitalität, die Erinnerungen aus der Erwachsenenwelt selten
haben.
Aber es sind nicht nur die hellen Bilder, die sie in Ihren Gedichten
beschreibt: Auch das dunkle, wortlose Dienen der Mutter, das Sich-Geben, die
Kinder fütternd mit streng rationierten Oblaten an Glück, Marmelade und
zitronengelben Gebäck, auch Worte stets limitierend.
Achtung schwingt da mit, Liebe und vielleicht etwas Beklemmung.
Wie auch bei der Landschaftsbeschreibung der jungen Erwachsenen mit dem Titel
„Bergisches Land“ :.. „irgendwo zwischen almengrün und müdgrau“. Leuchtende
Farben auf dunkler Enge und Nähe.
Später dann im Gedichtband: Lösung aus den alten Welten.
Unvermeidliche Brüche: „aus mutters gesangbuchblättchen haben sie zigaretten
gedreht.“ Wege suchend in den Chiffren moderner Gesichtslosigkeit der
Großstädte. Leben, das kein Ersatz für Vergangenes ist, sondern einfach nur Weg
– hastige Reise.
Ab und zu ein neuer Ansatz. Gedichte einen Mantel betreffend,
den ein lieber Mensch auf dem Stuhl absichtlich zurückgelassen hat, damit er
Wärme gibt im Nachtblau. Dann, ein Kind im Bauch, das das Unmögliche ankündigt:
Neues Leben, eigentlich eine Verrücktheit. Eine Verrücktheit? Wie die Autorin
auf Nachfrage mitteilt, gilt dies dem Moment der Entscheidung für ein
wunderbares Kind, gegen kühlen ärztlichen Rat.
Diese Gedichte gehen nahe. Oft ein melancholischer Blick zurück,
der dann aber in seiner Bildlichkeit genau bleibt, nicht verhaftet in
Vergangenem, sondern mitfühlend und beobachtend.
Marlies Blauths „zarte takte tröpfelt die zeit“ beschreibt eine
lange Reise. Aus der Jugend, über die Trennung von der alten Welt, dem Fremdeln
in seelenlos gewordenen großen Städten, die doch ihre Geheimnisse denen
bewahren, die sie kennen. Eine Zeitreise, über die Zeit mit den eigenen Kindern
hinaus.
Bis hin zum „heute“: „schön war es, alt zu sein und zu lächeln“.
Bis dahin auch eine Gratwanderung. Zwischen den kästnerschen Momenten
eines Paares im Kaffee, „sie nahmen einander die Zeit“ – bis hin zu einer
schwer greifbaren Lebensweisheit und -freude. Vielleicht auch aus dem Glauben
heraus, vielleicht auch das ein spätes Geschenk aus der Kindheit?
Was dieses Bändchen an Gefühl hinterlässt: Farben leuchten auf
dunklem, grauen Untergrund ganz besonders. So vielleicht wie ein Regentag,
durch den, kaum merklich, die Sonne ins Grün scheint.
Marlies Blauths: „zarte takte tröpfelt die zeit“: So viel darin
zu sehen, nachzuspüren, selbst wieder zu entdecken. Unbedingt lesenswert.
Helmut Brodt
1 Kommentar:
Es freut mich sehr, dass auch 18 Monate nach Erscheinen des Büchleins noch ausführliche Reaktionen kommen. Vielen herzlichen Dank an Helmut Brodt!
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