Samstag, 29. Februar 2020

Kurzeinführung in meine Ausstellung "dazwischen – Kohlestaub-Arbeiten"







Einführung Ausstellung „dazwischen“
Galerie Judith Dielämmer, Grevenbroich
Februar 2020




Verehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde!



Eine Premiere – in mehrfacher Hinsicht!

Erst einmal, natürlich, dass ich hiersein darf mit meinen Bildern, dass ich hier eine Ausstellung zeigen kann mit meinen Kohlestaub-Arbeiten.

Zum zweiten: Ich habe schon viele Einführungen gesprochen, aber immer nur für Kolleginnen und Kollegen, nie meine eigene.

Mit dem dritten Punkt komme ich schon in medias res:
Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Kohlestaub-Bilder mal so in der Nähe, fast fühlbar in der Nähe des rheinischen Braunkohletagebaus zeigen würde.

Ich bin als Ruhrgebietskind aufgewachsen, geprägt vom Bergbau (also: Kohle gehörte zum Alltag).
In der Schule lernte ich noch, dass die Zeit der Braunkohle bald vorbei sein würde; der Wirkungsgrad der Steinkohle sei doch so viel besser. Es schwang ein Hauch von Ewigkeit – der Steinkohle – mit.
Heute wissen wir, dass es ganz anders gekommen ist: Die letzte Zeche ist geschlossen, das Ruhrgebiet strukturiert sich schon jahrzehntelang um.

„Bei uns“ mussten keine Dörfer umgesiedelt werden. Aber unter der Oberfläche tat und tut sich so einiges: Senkungen von bis zu 40 Metern, und das überall in die Schächte eingedrungene Wasser muss ständig abgepumpt werden. Diese notwendigen Aufwändigkeiten werden mit dem schönen Begriff Ewigkeitskosten umschrieben.

Und hier bin ich schon bei dem ersten Dazwischen (denn so heißt meine Ausstellung ja): Das Ruhrgebiet, meine Heimat, war eine Region zwischen Wohlstand und Armut, zwischen Hässlichkeit und sprödem Charme.

Der Kohlestaub war überall. Weiße Wäsche, draußen zum Trocknen aufgehängt, konnte schnell grau werden. Farbige Hausfassaden kannte ich nicht (ich erinnere mich an mein Staunen in Süddeutschland: Bunte Häuser?).


Vor etwa sieben Jahren kam ich auf die Idee, mit diesem Material meiner Kindheit künstlerisch zu arbeiten: Das zweite Dazwischen. Mit Kohle zu zeichnen, in Stift- oder Stäbchenform, ist lange etabliert. Den Staub aufzubereiten, in diesem Fall mit Bindemittel, ist eher randständig. Es war für mich wichtig, eine mir gemäße Arbeitsweise zu finden:

Zwischen Zeichnung und Malerei.
Zeichnen mit überbreiten Pinseln. Das Material zu beherrschen und es gleichzeitig eigenständig und typisch „mitarbeiten“ zu lassen.

Sensible Partien gegen Schroffheit zu setzen. Unprätentiös / mit einfachen Mitteln Landschaften unterschiedlichsten Charakters darzustellen.

Da wir damals am Rand des Ruhrgebiets wohnten, musste ich nur meine Blickrichtung ändern, um diese verschiedenen Landschaften zu betrachten. Im Norden und im Westen herrschte die Industrie. Hier, in meinen Bildern, kommen Abraumhalden vor und „Lost places“, also lange geschlossene, verwitterte Industriegebäude, wie man sie heute immer noch findet.

Nach Osten blickte ich auf Felder, nach Süden auf Ruhrtal und Sauerland, bezaubernde Landschaften, mit Wäldern, aus denen wir mit Heidelbeeren und Pilzen nach Hause kamen. Ein krasser Gegensatz zur Industrielandschaft. Dort allerdings fanden wir auch Pflanzliches: In alten Steinbrüchen, damals noch zugänglich, fanden wir Kohlestücke mit Pflanzenabdrücken, rätselhafte Farne waren das, Schachtelhalme, zu Kohle gewordene Baumrinde.

Diese Erinnerungen sind in den kleinen Herbarium-Bildern festgehalten. Eine Besonderheit besteht darin, dass hier der Kohlestaub auf weißes Fotopapier aufgetragen ist; dieses ungewöhnliche Zusammenwirken der beiden Materialien ermöglicht feine Strukturen mit „Eigenleben“.

Mit der Kohlestaub-Technik bewege ich mich also zwischen wuchtiger Schroffheit und sensibler Zartheit.

Ein solches Sowohl-als-auch hat mich immer interessiert und begeistert. Vielleicht, weil der Mensch ja eigentlich so ist, voller Widersprüche, die er in sich vereinigt, vereinigen muss zu seiner Persönlichkeit.
Nicht einmal männlich – weiblich sind wirkliche Polaritäten, auch wenn die gesellschaftliche Atmosphäre aktuell so ist, dass gern eindeutige Grenzen gezogen werden, gezogen werden wollen.

Wir KünstlerInnen haben die Aufgabe, mit ästhetischen Mitteln Schnittmengen und Verbundenheiten herauszuarbeiten und aufzuzeigen; wir müssen, jede und jeder auf die eigene Weise, Altes und Neues verbinden, Experimente wagen, ohne das Bewährte aus den Augen zu verlieren.


Abschließen möchte ich mit einem Gedicht, das vielleicht auch schon eine Brücke baut zu meiner Lesung am 27. März –




mit Kohlestaub
male ich meine Bilder
schwärze behutsam
gewebtes Weiß

wo wohnten wir
in verschütteter Zeit
als wir die Farben
innen trugen
aus den Tiefen
Einsilben brachen

ich male Halden
vergessene Orte
zerschossenes Glas –
im Staub liegen
Diamanten




© Marlies Blauth

































2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Ich habe deine "Kurzeinführung" sehr gerne gelesen.Bilder sind dabei vor meinem inneren Auge erschienen.Wissbegierig bin ich, mehr über deine Malweise zu erfahren. Sie vielleicht sogar "handelnd" zu erfahren.Herzl.Grüsse von Uschi

Marlies Blauth hat gesagt…

Herzlichen Dank.

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