Freitag, 6. März 2020

Einmal Vorkasse ... und nicht zurück [Glosse]








Einmal Vorkasse und nicht zurück – oder die vergebliche Jagd nach Qualität


Früher war nicht alles besser, nein. Aber manches doch.
Während meines künstlerischen Studiums wurde immer wieder der Tipp laut, wir sollten mit hochwertiger Farbe malen, mit Abtönfarbe von Caparol. Damit könne man im übrigen bestens alle Malgründe vorbereiten, die Pigmentierung sei so schon satt und dicht, die Haltbarkeit hervorragend, und letzten Endes sei sie preisgünstiger als die kleinen Maltübchen aus dem Kunsthandel.
Gehört, gekauft. Das war damals nicht sehr schwierig. Nicht weit von der Hochschule entfernt befand sich ein illustrer Laden, Spezialität waren Eisenwaren, aber Caparol hatten die auch. Die Eigentümerin war ein wahrer Drache, der immer was zu meckern oder besser feuerzuspucken fand; aber da musste man eben durch. Hinterher hielt man ja das in den Händen, was man haben wollte, das Ungeheuer war besiegt. 


Unzählige Bilder habe ich mit dem Markenprodukt gemalt (eher untermalt, da ich ja hauptsächlich mit Ölfarbe arbeite, aber Grundierungen / untere Malschichten müssen auch gut sein!). Auch meine Treppe in den Keller habe ich irgendwann damit gestrichen 
– und erhielt ein wunderbar strapazierfähiges Ergebnis.

Dann kam die Zeit, als die meisten altertümlichen Eisenwarenläden schlossen; die Drachen waren alt geworden, freundlichere Besitzer auch. Und meine Farbvorräte gingen zu Ende. Wenn ich unterwegs war und noch so einen dieser Läden fand, sprang ich hinein und fragte nach meiner Lieblingsmarke. Komischerweise kam fast immer „Haben wir nicht, aber hier … ist dasselbe“. War es natürlich nie, das Ersatzprodukt war eben nur ein Ersatzprodukt.
Und die Baumärkte … die hatten mittlerweile fast alle Lädchen ersetzt. Heul. Ich will nicht behaupten, dass die kein hochwertiges Farbmaterial haben, nur erwische ich leider immer das falsche, so dass sich der Verdacht fast auftut.
Im Internet suchte ich nach Spezialhändlern, juchhuuu, es gibt sie noch. Aber: Die liegen oft weit entfernt oder es sind vielfach Großhändler, die sich ungeheuer (!) anstellen, weil ich ja nur Freiberuflerin bin und kein Gewerbe angemeldet habe (was ich nicht muss). „Machen wir nicht mehr“, lautete die herzlose Antwort. „Nur“ Künstlerin – kenne ich auch aus anderen Zusammenhängen. Leute, ich kann auch nix dafür, dass ich nicht so viele Quadratkilometer zu streichen habe wie ein Maler & Lackierer! Und dass ich das Drama mit der Mehrwertsteuer nicht kapiere, weil ich Kleinunternehmerin bin und mich nicht drum kümmern muss!

Es kam der Tag, als ich mal wieder Caparol brauchte. Und zwar unbedingt; aber das zeigte sich erst später. Ich habe eine schwarze Wand, die ausgebessert werden wollte. Klar, die ursprüngliche Farbe war … sattes Caparolschwarz. Hatte superlange gehalten, es gab nur ein paar „Macken“. Die konnte man vielleicht, dachte ich, mit Baumarktschwarz ausbessern.
O je … was für ein fürchterliches Beispiel fürs Verschlimmbessern! Lahme Pigmentierung, statt schöner seidenmatter Oberfläche stumpf (man denkt gleich an falsch gepflegtes Kopfhaar) und natürlich ein anderer Schwarzton. Es sah … zum Scheißeschreien aus, wie meine selige Mama eine solche Situation drastisch zu beschreiben pflegte. Um die Wand noch einigermaßen künstlerisch-erträglich zu gestalten, setzte ich ihr wilde Schnecken- und Rankenmuster drauf, schwarz in schwarz. Als Provisorium, versteht sich. Denn … das Internet, das Internet hat ja alles parat, also wohl auch Caparol. Ich krempelte gleichsam die Ärmel auf und war frohgemut, dass ich meine Wand wieder hinkriegen würde. Mit dem Ur-Schwarz, dem satten und schönen. Aber irgendwie war die Angebotslage komisch. Entweder konnte man keine Farben anklicken (oder ich nicht? Zu doof? Aber ich habe schon Komplizierteres im Netz gekauft …) oder es erschien überhaupt nur Grün bei dem einen Händler, Gelb beim anderen. Auch schön, natürlich.
Aber da! Schwarz! Der Händler hieß Farben Müller-Meier-Schmidt, befand sich ca. 50 km von hier und wirkte, warum auch immer, Vertrauen erweckend. Hach, und da zahlt man doch gern per Vorkasse … mit der Aussicht, endlich, endlich das passende Produkt in den nächsten Tagen zu erhalten.
Fast. Eigentlich erwartete ich täglich das Paket. Bekam aber eine sehr sonderbare Mail – ohne Anschreiben oder Absender. Allein die Mailadresse des Absenders zeigte mir, worum es ging: Farben-Müllermeierschmidt.de (oder so). „Kann im Moment nicht geliefert werden“. Na Klasse. In meiner Not schrieb ich zurück: „Dann überweisen Sie mir das Geld zurück oder schicken Sie mir Caparol Weiß!
“ (welches ich zwar nicht für diese Wand brauchen konnte, aber immerhin für künstlerische Zwecke). Das Ganze nicht ohne den Tipp, dass man mit namentlichem Anschreiben und Absender vielleicht besser den Nicht-Spam vom Spam unterscheiden kann. Herrje.

Aber der Nicht-Spam war irgendwie auch Spam. Auf meine Antwort erfolgte Totstellen. Na gut, versuchen wirs telefonisch zu klären. Aber, ach: Diese-Nummer-ist-ungültig. Tüüüüt.

Meine Online-Bank hatte nur einen (Wiedermal-)Drachen für mich vorrätig, diesmal einen telefonischen. „Sie haben die Überweisung bestätigt, also können Sie die im Prinzip nicht rückgängig machen. Nur mit ganz zwingenden Gründen. Kostet 15 € Bearbeitung, und wir können nicht garantieren, dass wir erfolgreich sind.“ Boah, was für ein grantig-schnippischer Tonfall. Aber wer den Schaden hat … Blöde Kuh. Das sagte ich auch beim Auflegen. Hoffentlich wird sie mal ähnlich verarscht wie ich und gerät dann an ein vergleichbares Telefonungeheuer.

15 Euro Bearbeitung ohne Erfolgsgarantie für einen Betrag von (Gott-sei-Dank nur) 18 €. Nee, danke.

Nun bin ich weiterhin ohne Caparol und obendrein um den genannten Betrag ärmer.

Ja, es gibt Schlimmeres. Es gibt deutlich höhere Verluste, ich weiß, ich weiß. Aber ich denke wehmütig an das Eisenwarengeschäft von damals, das unbeholfen damit warb „Wir haben jede Schraube für Sie“. Ja. Die Oberschraube schlich leibhaftig durchs Geschäft und meckerte. Aber es gab: Caparol. In allen Farben. War das schön!


© Marlies Blauth










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