Furnierwald, Detail
Bewegend: moving life moving – Ausstellung in der Apsis Osterath
Feiner Firnis- und Holzgeruch zieht durch den Kirchraum, unübersehbar, woher er rührt: Die Apsis der Evangelischen Kirche Osterath ist verhängt mit knapp dreißig Holzfurnieren, also hauchdünn gesägten Baumstämmen von vier Meter Länge. Wenn das Sonnenlicht durch die Buntglasfenster auf diesen Furnierwald scheint, wird der Blick des Betrachters in die Tiefe des Apsisraums gezogen – jeder Baumstamm färbt sich für den Moment anders, die Installation wird zum Frühlingswald oder zum Herbstwald, jedenfalls zum lebendigen Wald, der sich leise im Luftzug bewegt.
Moving life moving – mit dem Titel der Ausstellung spielt der Künstler Günter Thomas überall. Seine Objets trouvés, die er an verschiedenen Stellen der Kirche postiert, zeigen deutliche Gebrauchsspuren, Lebensspuren, immer haben Menschen damit gearbeitet. Seriell präsentierte Brotbackformen (die man eigentlich anfassen müsste) besitzen eine Patina, die sich in vergangenen Jahrzehnten aufgeschichtet hat. Doch ein paar Stellen sind blattvergoldet, der krasse Materialgegensatz ist ein Hinweis auf das Brot des Abendmahls, auf das Besondere im Alltäglichen.
Günter Thomas hat selbst eine bewegte und bewegende Biografie: Der Professor für Theologie an der Ruhr-Universität Bochum, zweifach promoviert, ist auch ausgebildeter Tischler und seit langem künstlerisch aktiv. So unterhaltsam wie geistreich er die Vernissage gestaltete (moderiert von Rolf Kaulmann), so spielerisch und gleichzeitig tiefsymbolisch ist seine Kunst. Eine wesentliche Arbeit der Ausstellung ist sein „Taufwagen“, mit dem er das moving life auf vielfache Weise beleuchtet. Drei Bottiche stehen auf dem Wagen – die Trinität der Taufformel klingt klar an –, allerdings verbeult und verkratzt wie das Leben, das jedem von uns ab Geburt bevorsteht. Näher ins Bewusstsein rückt die Ur-Taufe im Jordan oder auch, dass Täuflinge im Mittelalter sommers wie winters in wassergefüllte rohe Steintröge getaucht wurden, die man durch die Jahrhunderte durchaus auch mal als Viehtränken benutzte.
Es gäbe noch viel zu sagen über geschredderte Theologenbücher und Besen, die eventuell hin und wieder die Institution Kirche auskehren sollten – hat man den Wald aus theologischen, künstlerischen, humorvollen Aussagen durchschritten, wird einem klar: Dieses Highlight der Apsis-Ausstellungsreihe zeigt, dass wirklich religiöse Kunst nicht das sein kann, was man sich unter religiöser Kunst meist so vorstellt.
Geöffnet werktags 9 – 12 Uhr oder nach Vereinbarung unter Tel. 02159 50442, Gottesdienste sonntags um 10 Uhr. Ausstellungsdauer: bis 27.11.2011. Der Künstler gehört zu den Autoren des Katalogs Kunst in der Apsis, der im Mai 2011 erschienen und über die Ev. Kirche Osterath für 10 € zu erwerben ist.
Evangelische Kirche Meerbusch-Osterath, Alte Poststraße 15, 40670 Meerbusch
Marlies Blauth
Günter Thomas
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen