Sonntag, 26. Mai 2024

[Glosse] Mit Bus und Bahn und großem Gepäck

 










Mit Bus und Bahn und großem Gepäck

 

Wo ich wohne, hat jeder sein Auto oder jede ihres. Manchmal auch zwei. Nur ich – gefühlt nur ich – hab keins.

Meist merke ich das gar nicht. Ich fahre seit 56 Jahren mit den Öffis, kenne ihre Stärken und ihre Schwächen, genieße sogar die meisten Fahrten damit (auch diese Glosse entsteht wieder in der Bahn) und fühle mich frei und unabhängig.

Aber heute … nä – wie man im Rheinland zu fluchen pflegt.

„Meine“ Stadt ist eigentlich keine. An irgendeinem Schreibtisch hat man irgendwann sieben oder acht Dörfer zu einem Haufen zusammengefasst und diesen dann Stadt genannt. Dieses Ding muss folglich ohne Zentrum auskommen, gewissermaßen ohne Herz dahinvegetieren.

Immer wieder beklagen sich diejenigen, die mit dem Bus von einem Dorf – äh: Stadtgebiet – ins nächste fahren müssen oder wollen: Die öffentliche Verbindung eines Ortes mit dem nächsten ist und bleibt schlecht. Die Buslinie nach L., die eigentlich bei mir in der Nähe hält, ist besonders berüchtigt, weil sie eigentlich immer einen Plan B erfordert.

Heute kommt sie erstmal gar nicht, wenn ich sie brauche; so sagt der Fahrplan. Saure-Gurken-Zeit; da ist gar kein Bus vorgesehen. Ich habe zwei Bilder von O. nach L. zu transportieren; jemanden mit Auto zu engagieren, lohnt sich weder organisatorisch noch ökologisch-klimaschonend. Also los, auch wenn ich einen Umweg mit Umstieg und sonstigen Schikanen in Kauf nehmen muss.

Meine Laune rutscht nochmal ein paar Etagen tiefer, denn just als ich mit meinem Paket das Haus verlasse, beginnt es zu regnen, und zwar „cats and dogs“, also sehr. Ich öffne meinen Schirm, irgendwie so zwischen Schulter und Hals geklemmt, weil ich ja die Bilder in der einen Hand habe und kein Krake bin (wiewohl in solchen Momenten gern einer wäre) und der Schirm keine Automatik hat.

Ach ja, das Bilderpaket misst einen Meter zwanzig, es handelt sich also nicht um ein Täschchen mit Bildchen drin.

In der Bahn geht’s, die fährt meist ruhig und gelassen. Ich stelle mein Paket in stabiler Lage ab.

Aber dann das Umsteigen: Schirm – nass – vollgeregnetes Verpackungsmaterial – und ich schon ziemlich derangiert.

Der Bus, der nun kommt, verrät nicht ansatzweise, wer er ist und wohin er uns bringen will: Sein Display ist dunkelgrau wie die Regenwolken am Himmel. „Ün-dreißsch“, meldet der Fahrer. Aha. „Halten Sie an der M.-Straße?“ frage ich, erhalte aber keine Antwort. „Das weiß der selber nicht!“, witzelt ein anderer Fahrgast. Ich beschließe, kein Risiko einzugehen mit meinem Ballast, lasse den namenlosen Bus weiterziehen und gehe zurück ins Wartehäuschen, dessen Vorhandensein ich als besonderen Service empfinde, denn auf dem Land – pardon, in meiner Stadt – ist das nicht selbstverständlich. An manchen Stellen muss man sich vollregnen lassen, bis sich endlich ein Bus heranbequemt.

Irgendwann kommt die richtige Nummer, die sogar ohne Sehhilfe lesbar ist, ich steige ein. Wunderbarerweise bekomme ich einen Klappsitz für Fahrradfahrende (nein, hier fahren sie natürlich erstmal nicht), Rollstuhlbetreuende, Kinderwagenmitsichführende oder Leute wie mich: Kunstschleppende. So, letzte Hürde genommen. Irgendwie ging ja alles noch, wie schön, hach.

Denkste. Als ich mich meiner Ausstiegs-Haltestelle nähere, stehe ich schon mal auf, der Klappsitz schnappt, der Rucksack ist geschultert, das Bilderpaket durch mich, das Fast-Krakentier, vor dem Umfallen gesichert. Den nassfiesen Schirm muss ich mehr schlecht als recht in der Jackentasche verstauen.

Daaa kommt, man möge es mir verzeihen, ein weibliches Ungeheuer mit Kontrollausweis auf mich zu. Die Dame hatte zuvor lautstark mit ihrer Kollegin, Susanne oder Sabine, Gespräche auf Kaffeklatschniveau geführt. „Faaahrkarte, bitte!“, raunzt sie jetzt – „Ich muss aber jetzt aussteigen, und Sie sehen doch …“ (aber genau das forciert eine besondere Unerbittlichkeit).

Rucksack wackelnd abgehalftert, Ticket rausgefriemelt … immer wieder nach draußen schielend, wo wir denn gerade sind. „Und nun noch Ihren Personalausweis!!“ – „Den habe ich leider noch woanders (in Klammern: weil ich mal beklaut wurde und ich seitdem meine Siebensachen so verteilt habe, dass sie bei der nächsten Attacke nicht wieder allesamt weg sind)“ – „Sie müssen sich das in die Hosentasche stecken! Wie Sie das machen, unmöglich!“

Nein, danke, liebe Frau Kontrolletti. Dann zerkrache ich womöglich mein Ticket und genau Sie beschweren sich dann, dass Ihr Lesegerät den Schrott nicht lesen kann und ich hätte besser aufpassen müssen. Leute wie Sie knöpfen einem dann nämlich 60 Euro ab.

 

Schweißgebadet steige ich aus: Eine Mitte-Sechzigerin dermaßen zu stressen und zu schulmeistern, gehört sich einfach nicht.

Nein, SO entwöhnt man keinen Menschen vom Auto. Ich dachte immer, das will man unbedingt.

Klimaverbesserung beginnt im Alltag!

 

 

© Marlies Blauth


 

 

 

 

 

 


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