Freitag, 17. Januar 2025

"Fenster zum Himmel"



Fundstück beim Sortieren älterer Aufzeichungen:

 

Erläuterungen zu meiner Ausstellung Fenster zum Himmel (um 2006)

 




 

„Kirchen sind Fenster zum Himmel“, wurde Bischof Huber einmal auf einem Kirchbautag zitiert. Ich finde, dass dies durchaus auch für die Kunst gelten kann, zumal für Kunst in sakralen Räumen. „Auf der Suche nach Harmonie“ nannte meine Vorgängerin ihre Ausstellung hier – und dieser Suche möchte ich mich unbedingt anschließen. Allerdings meine ich, behaupten zu dürfen, schon etwas gefunden zu haben: die Ästhetik von Farbe und Proportion. Harmonie sehe ich hier als Entsprechung zur Natur, nicht als ihr Abbild, sondern als bildhafte Annäherung an Prinzipien und auch Geheimnisse der Natur. Gerade auch im Blick auf die Natur ist Harmonie der Schnittpunkt – irgendwo! – zwischen Ordnung und Chaos, denn weder der eine noch der andere Pol ist in seiner Absolutheit wünschenswert; die Ordnung schließt das Individuelle aus, während im Chaos kein Mensch existieren kann – obwohl es doch sämtliche Möglichkeiten eröffnet. Und so ist es immer wieder eine Herausforderung für Künstler, sich zwischen Ordnung und Chaos zu bewegen und Position zu beziehen.
In meiner langjährigen Arbeit mit Studierenden sehe ich ständig, dass die meisten ein großes Harmoniebedürfnis haben und meinen, mit einem hohen Maß an Ordnung diesem Bedürfnis nachkommen zu können. Zum Teil entstehen wirklich schöne Zeichnungen, Malereien, Holzschnitte etc., die aber so „brav“ komponiert sind, dass es ihnen an Kraft und Ausstrahlung fehlt.

Farbfelder = Kraftfelder, so nannte ich einmal eine meiner Ausstellungen. In diesen Serien versuche ich, einem hohen kompositorischen Ordnungsprinzip eine betonte farbige Dynamik entgegenzusetzen, ich beschäftige mich mit den Wechselwirkungen von Farbe – in Farbschichten und im Nebeneinander –, setze Farbe in unterschiedliche Beziehung zum Material, mische Gips und Erde in die Farbe, bringe Papierstücke auf und übermale sie, trage Farbe möglichst verschieden auf – mit Borstenpinseln, Tüchern, winzigen Pinseln –, schleife sie mit grobem Sandpapier wieder ab. Dies alles als Kontrapunkt zur Ordnung, um sie nicht übermächtig werden zu lassen.

„Fenster zum Himmel“ – dazu fällt mir auch das Paradies ein. Kirchenräume empfand ich früher (und vielleicht auch manchmal heute noch) als Einblick ins Paradies, unterstützt übrigens von der Kirchenmusik. Es ist folglich kein Zufall, dass viele meiner Bilder zu Orgelstücken von Jehan Alain (1911 – 1940) entstanden sind; nicht als wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Übersetzung von Musik ins Bildnerische, vielmehr diente die Musik als meditative Anregung für ein Bild, das wiederum eine Art Brücke zwischen Musik- und Farbklängen ist.

Ich erinnere mich an das Bild „Paradiesgärtlein“ von ca. 1400. Darauf sind Maria und verschiedene Personen zu sehen, alle in leuchtende Blau- und Rottöne gekleidet und alle – bemerkenswerterweise – in dynamischer Aktivität. Maria liest in der Bibel, um sie herum wird geerntet, aus dem Brunnen geschöpft, diskutiert und musiziert. Doch obwohl das Gärtlein mit einer schützenden Mauer umgeben ist – umfriedet –, hat sich das Böse doch irgendwie eingeschlichen. Neben einem Engel und zwei Menschen, die sich unterhalten, sitzt – unverhältnismäßig klein, aber eben doch anwesend – ein „Unhold“, der sich interessanterweise als Einziger durch explizite Nicht-Farbigkeit auszeichnet. Er ist von Kopf bis Fuß aus einem matschigen Graubraun, das im farbtheoretischen Sinn eine Mischung aus allen Farben sein könnte.

Diese kleine Abschweifung als Hinweis darauf, dass auch schon vor 600 Jahren das Paradies als farbenfroh gedacht und empfunden wurde – und dass die Harmonie des Paradieses keinesfalls mit untätiger Ruhe gleichgesetzt war.

 

Text und Bilder © Marlies Blauth


 

 













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