Fundstück beim Sortieren
älterer Aufzeichungen:
Erläuterungen zu meiner
Ausstellung Fenster zum Himmel (um 2006)
„Kirchen sind Fenster zum
Himmel“, wurde Bischof Huber einmal auf einem Kirchbautag zitiert. Ich finde,
dass dies durchaus auch für die Kunst gelten kann, zumal für Kunst in sakralen
Räumen. „Auf der Suche nach Harmonie“ nannte meine Vorgängerin ihre Ausstellung
hier – und dieser Suche möchte ich mich unbedingt anschließen. Allerdings meine
ich, behaupten zu dürfen, schon etwas gefunden zu haben: die Ästhetik von Farbe
und Proportion. Harmonie sehe ich hier als Entsprechung zur Natur, nicht als
ihr Abbild, sondern als bildhafte Annäherung an Prinzipien und auch Geheimnisse
der Natur. Gerade auch im Blick auf die Natur ist Harmonie der Schnittpunkt –
irgendwo! – zwischen Ordnung und Chaos, denn weder der eine noch der andere Pol
ist in seiner Absolutheit wünschenswert; die Ordnung schließt das Individuelle
aus, während im Chaos kein Mensch existieren kann – obwohl es doch sämtliche
Möglichkeiten eröffnet. Und so ist es immer wieder eine Herausforderung für
Künstler, sich zwischen Ordnung und Chaos zu bewegen und Position zu beziehen.
In meiner langjährigen Arbeit mit Studierenden sehe ich ständig, dass die meisten
ein großes Harmoniebedürfnis haben und meinen, mit einem hohen Maß an Ordnung
diesem Bedürfnis nachkommen zu können. Zum Teil entstehen wirklich schöne
Zeichnungen, Malereien, Holzschnitte etc., die aber so „brav“ komponiert sind,
dass es ihnen an Kraft und Ausstrahlung fehlt.
Farbfelder = Kraftfelder, so
nannte ich einmal eine meiner Ausstellungen. In diesen Serien versuche ich,
einem hohen kompositorischen Ordnungsprinzip eine betonte farbige Dynamik entgegenzusetzen,
ich beschäftige mich mit den Wechselwirkungen von Farbe – in Farbschichten und
im Nebeneinander –, setze Farbe in unterschiedliche Beziehung zum Material,
mische Gips und Erde in die Farbe, bringe Papierstücke auf und übermale sie,
trage Farbe möglichst verschieden auf – mit Borstenpinseln, Tüchern, winzigen
Pinseln –, schleife sie mit grobem Sandpapier wieder ab. Dies alles als
Kontrapunkt zur Ordnung, um sie nicht übermächtig werden zu lassen.
„Fenster zum Himmel“ – dazu
fällt mir auch das Paradies ein. Kirchenräume empfand ich früher (und
vielleicht auch manchmal heute noch) als Einblick ins Paradies, unterstützt
übrigens von der Kirchenmusik. Es ist folglich kein Zufall, dass viele meiner
Bilder zu Orgelstücken von Jehan Alain (1911 – 1940) entstanden sind; nicht als
wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Übersetzung von Musik ins Bildnerische,
vielmehr diente die Musik als meditative Anregung für ein Bild, das wiederum eine
Art Brücke zwischen Musik- und Farbklängen ist.
Ich erinnere mich an das
Bild „Paradiesgärtlein“ von ca. 1400. Darauf sind Maria und verschiedene Personen
zu sehen, alle in leuchtende Blau- und Rottöne gekleidet und alle – bemerkenswerterweise
– in dynamischer Aktivität. Maria liest in der Bibel, um sie herum wird geerntet,
aus dem Brunnen geschöpft, diskutiert und musiziert. Doch obwohl das Gärtlein mit
einer schützenden Mauer umgeben ist – umfriedet –, hat sich das Böse doch irgendwie
eingeschlichen. Neben einem Engel und zwei Menschen, die sich unterhalten, sitzt
– unverhältnismäßig klein, aber eben doch anwesend – ein „Unhold“, der sich interessanterweise
als Einziger durch explizite Nicht-Farbigkeit auszeichnet. Er ist von Kopf bis
Fuß aus einem matschigen Graubraun, das im farbtheoretischen Sinn eine Mischung
aus allen Farben sein könnte.
Diese kleine Abschweifung
als Hinweis darauf, dass auch schon vor 600 Jahren das Paradies als farbenfroh
gedacht und empfunden wurde – und dass die Harmonie des Paradieses keinesfalls
mit untätiger Ruhe gleichgesetzt war.
Text und Bilder © Marlies
Blauth
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