Zur Ausstellung Starke Frauen. Schlaue Köpfe mit gleichnamigem Buch, Schwerte Juli 2013
Meine Damen und Herren,
gerade aktuell gab es ein allgemeines Aufheulen:
Die Universität Leipzig verkündete, der Titel „Professorin“
gelte ab sofort auch für Männer, der „Professor“ sei ja darin enthalten.
Ein symbolisches Experiment; das uns, unserer
Gesellschaft den Spiegel vorhält. Es sei doch nur Sprachkosmetik, nur ein Wort
– so ein Kommentar der moderaten Sorte. Dazu fiel mir natürlich gleich das
Begriffspaar herrlich – dämlich ein. Nur ein Wort, ja. Auch Junge – Mädchen,
noch immer gebräuchlich, sind nur Wörter. Da dürfen wir wohl froh sein,
dass wenigstens das leidige Fräulein getilgt ist.
„Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“:
Gegen solche Buchtitel sind wir noch lange nicht immun. Wie oft war damals (im
Jahr 2000), als das Buch erschien, lachender Beifall zu hören: Jaaaa, kenne
ich, stimmt genau! – Man versteckt sich gern hinter dem „Humor“ an der Sache.
Frauen, die vehement für Gleichberechtigung plädieren, galten, gelten ja als
humorlos.
Kleine Notiz am Rande: Zum Erscheinen des genannten Buches war
es gerade mal zehn Jahre her, dass sich der letzte Schweizer Kanton dazu
durchgerungen hatte, den Frauen das vollständige Stimmrecht zuzubilligen –
1990!
Sie werden es ahnen: Die Wurzeln liegen – bei Adam und Eva.
Mit Vorliebe wurde Jahrhunderte lang eine Kette aus
Ursache-Wirkung-Gliedern geschmiedet, die den Frauen das Gehen in die
Selbstständigkeit im Sinne einer Selbstbestimmung unendlich schwer machte: Eva
wurde ja angeblich aus einer wertlosen, weil notfalls verzichtbaren Rippe Adams
erschaffen, die Frau konnte also nur eine Art Billigware sein; und mit der
vermaledeiten Schlangengeschichte wurde sie zur „Verführerin“ des Mannes
gemacht, verantwortlich für den Rausschmiss aus dem Paradies: Über endlose
Jahrhunderte eine Rechtfertigung dafür, dass die Frauen unter die Obhut – heißt
im Klartext: Vormundschaft – des Mannes gehören und folglich „nichts zu sagen“
haben.
Auch wenn die Zeiten anders geworden sind, haben wir leider
immer noch einige Aufräumarbeiten aus dem Mittelalter zu erledigen.
In diesem Rahmen sind Projekte wie Starke Frauen. Schlaue
Köpfe erschreckend nötig, um die „weiblichen“ Spuren, die sich irgendwie noch
finden lassen, freizulegen und in den Köpfen aller zu verankern. Vergessen,
weil unterjocht; unterjocht, weil vergessen – das darf es nicht geben:
Die Kirche des Mittelalters hat das Bild der schwachen Frau, die
unter die Kontrolle des Mannes gehört, bekanntlich mächtig gefördert. Biblische
Stellen wie die, dass Frauen in der Gemeinde zu „schweigen“ und sich den
Männern „unterzuordnen“ haben, bekamen unverhältnismäßiges Gewicht, wobei nicht
einmal klar ist, ob sie – wie in diesem Fall – später eingefügt wurden bzw. ob
hier nicht ein spezieller Fall einfach verallgemeinert ist, weil er so gut ins
Gesamtbild passte.
Wie wir alle wissen, ist der Begriff „Hexe“ ziemlich weiblich
besetzt. 80% der armen Verfolgten – angeblich behext oder behexend – waren
weiblich, denn männliche Magie galt als weniger gravierend und teuflisch, obwohl
der Herr Teufel ja ein Mann sein dürfte.
Einige Zeit nach den Hexenverfolgungen – aber durchaus im
Gefolge – passierte es, dass die Ehefrau Steffen aus Schwerte 1820 als
„Quacksalberin“ angezeigt wurde. Sie war eine „kräuterkundige Frau“; dass sie
mit ihrer Tätigkeit für sich und ihren blinden Mann aufkam und überdies keine
Beschwerden über fehlerhafte Behandlungen vorlagen, spielte keine Rolle: Sie
war schlichtweg eine Konkurrenz zur (männlichen) Ärzteschaft. Der gestutzte
Name „Ehefrau Steffen“, der hier nurmehr übrig geblieben ist, erinnert mich an
etwas, was noch gar nicht weit zurück liegt: Die Adressierung „An Frau Hans
Müller“. Komisch, dass das oben genannte Experiment mit den Professorinnen so
vielen quer geht, Frau Hans Müller aber dermaßen lange üblich war.
Sehr humorvoll ging die Schwerterin Luise Elias in den
1910er und -20er Jahren mit einem, „ihrem“ männlichen Namen um: unter dem
Pseudonym Ernst Heiter veröffentlichte sie ihre Gedichte. Schreibende
Frauen waren noch eine Seltenheit, wahrscheinlich fürchtete sie Verachtung –
und kreierte auf diese Weise, ganz aktuell, einen „Produktnamen“. Und doch ist
der Gedanke erschreckend, dass eine Frau überhaupt überlegen muss, sich hinter
einem männlichen Namen zu verstecken.
Frau-Sein und Mutterschaft wurden – Evas großes Pech – über
Jahrhunderte gleichzeitig idealisiert und dämonisiert.
Da war es sehr mutig, dass die Schwerterin Gertrud
Büchsenschmidt, die im 17. Jahrhundert lebte, für ihren unehelichen Sohn
den Unterhalt mit Erfolg einklagte. Die „Obhut“ des Mannes, des Kindsvaters,
war nämlich nichts als eine leere Versprechung gewesen. Gertrud ließ sich das
nicht gefallen.
Sie war allerdings nur deshalb erfolgreich, weil sie gebildet
war: Sie konnte lesen und schreiben und so überhaupt nur mit dem Schwerter
Stadtgericht korrespondieren – für eine Frau damals sehr ungewöhnlich. Wir sehen
hier kristallklar, was Bildung ausrichten konnte und kann.
„Wie sehr haben sich die Zeiten geändert,“ sagte 1957 die
Schwerter Lehrerin Agnes Tütel, „das Recht auf Arbeit und Bildung für
Frauen, um das sie so hart gekämpft haben, ist seit langem anerkannt“. Ja, da
war man auf dem richtigen Weg, das stimmt, aber sie selbst hat noch erleben
müssen, dass sie „wegen fehlender akademischer Ausbildung“ die Leitung der
Höheren Mädchenschule abgeben musste – an einen Mann. Außerdem unterstand sie
dem „Lehrerinnenzölibat“ – unglaublich, oder? –: Lehrerinnen durften, wenn sie
heirateten, ihren Beruf nicht mehr ausführen und verloren obendrein ihr
Altersgehalt. Wenn man bedenkt, dass sie ohnehin weniger verdienten als ihre
männlichen Kollegen, dass außerdem diese Regelung hierzulande sage und schreibe
bis 1951 galt (in Baden-Württemberg sogar bis 1956), kommt einem das alles viel
zeitferner vor als es ist.
Die über Jahrhunderte währende Nichtzulassung von Frauen an
Universitäten – erst im 19. Jahrhundert änderte sich das in kleinen Schritten –
diente selbstverständlich dazu, weibliche „schlaue Köpfe“ gleich schon dem
Wettbewerb zu entziehen. Mit dem hinlänglich bekannten „Argument“, der Platz
der Frau sei es, für Mann und Kinder zu sorgen, konnte man da alles abbügeln.
So waren die Höheren Töchterschulen, die es immerhin ab ungefähr 1800 gab, für
die Vorbereitung auf die „häuslichen Pflichten“ eingerichtet und boten nicht
etwa die Möglichkeit des Abiturs. Die Lehrerinnenausbildung war folglich auch nicht-akademisch.
Nicht-akademisch: In dieser Tradition ist zu sehen, dass heute in Kindergärten und in Grundschulen fast nur Frauen beschäftigt sind. Das prangerte kürzlich die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder an. Michael Meuser, Vorsitzender ihres Beirates Jungenpolitik, fordert: “Wir empfehlen, endlich die Lohnstrukturen bei Erziehern (!) und Grundschullehrern (!) zu verändern, so dass diese Berufe attraktiver werden.“ (1) – womit er nicht etwa sagen will, dass die Frauen unterbezahlt werden; nein, er meint, dass man auf solche Weise Männer in diese Berufe locken könne, damit die Jungen endlich nicht mehr nur weibliche Bezugspersonen haben. Dazu könnte man viel ergänzen, es würde aber den Rahmen meines kleinen Textes sprengen: Ich war jedenfalls sprachlos.
Im Jahr 2013 angelangt, schauen wir nun auf die „Schlauen Köpfe“
– die sich mit den 22 „starken Frauen“ der Vergangenheit befasst haben. Ein
Portrait ist immer eine persönliche, exklusive Annäherung an die jeweilige
Person in ihrem historisch-gesellschaftlichen Umfeld; eine Ausstellung lässt
daran teilhaben.
Die technisch komplizierte Ausführung einer Portraitplastik aus
Ton bringt die Künstlerin der Portraitierten noch einmal deutlich näher und
macht den Vorgang fast-meditativ. Erinnerungen an die eigene Großmutter, an
Notzeiten, an gedeckte Tische – und auch kritische Auseinandersetzung
beispielsweise mit der Frage, ob die „unterwürfige“ Haltung der Schwerter Pannekaukenfrau
(Skulptur) nicht historisierenderweise gerade das Frauenbild überliefert, das
man doch gerade überwinden will, wenn man ihr ein Denkmal setzt. Intensive
Gefühle kommen noch einmal ins Spiel, wenn man dem eigentlich fertigen Tonkopf
gleichsam die Schädeldecke aufschneiden muss, um ihn auszuhöhlen, damit er beim
Brennprozess nicht zerspringt – so, als müsse man die Frau, mit der man sich so
lange befasst hat, verletzen.
Meine eigene Arbeit verlief – wegen der Collage-Technik –
natürlich ganz anders, aber auch hier war eine Verletzlichkeit zu spüren, die
Behutsamkeit forderte. Ich habe in die Fotos gezeichnet, sie übermalt, Stellen
freigelegt – zusammen mit meinen eigenen Gedanken. Gedanken – heißt hier auch danke
zu sagen an unsere Ahninnen, die den Weg bereitet haben für uns.
Und danke dem Schwerter Arbeitskreis Frauengeschichte(n), der
uns diese Perspektive überhaupt erst ermöglicht hat.
Zerbrechlich wie Ton, zart wie Papier ist jede einzelne
Biografie – vielfach mit Lücken, stellenweise Emotionen in uns hervorrufend,
dass es doch anders hätte ablaufen können und müssen. Sehen wir aber auch:
Diese Frauen zeigen, dass Mut und Elan, Beharrlichkeit, Fantasiereichtum,
Hilfsbereitschaft und Stärke weder männlich noch weiblich, sondern uns allen
geschenkt sind.
Egal, ob wir im kleinen Kreis aktiv sind oder in der
Öffentlichkeit: Geben wir uns gegenseitig alle Chancen dazu, mutig und
fantasievoll wirken zu können.
Ich empfehle an dieser Stelle herzlich das Buch zur Ausstellung Starke Frauen. Schlaue Köpfe: liebevoll
zusammengestellt/ herausgegeben vom AK Frauengeschichte(n) und wunderschön gestaltet von Sigrid Helling.
10 Euro.
10 Euro.
Marlies Blauth (©)
(1) zitiert in der Rheinischen Post/ Juni 2013, Hinweise auf die Fragwürdigkeit der Terminologie von mir
(1) zitiert in der Rheinischen Post/ Juni 2013, Hinweise auf die Fragwürdigkeit der Terminologie von mir
weitere Quellen:
Frauen- und geschlechtergeschichtliche
Perspektiven der Hexenforschung,
Bundeszentrale für politische Bildung:
Frauenbewegung, www.bpd.de
Verschiedene Wikipedia-Artikel
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