Freitag, 27. Dezember 2019

Jahresrückblick 2019










Halde. Kohlestaub auf Leinwand, 2019. 40 cm x 80 cm






Jahresrückblick 2019

Wenn sich die Tage zusammendrücken
man fahle Reste aufsammeln muss
und die Gedanken schon renoviert
im Hintergrund stehen –

Blicke ich auf 2019 zurück, darf ich erneut sagen: Ich bin dankbar. Der Familie geht es gut, gesundheitliche „Störungen“ gab es so gut wie keine.

Hier blogge ich ohnehin hauptsächlich über Berufliches, wohl wissend, dass das private Umfeld immer auch sein Quentchen beigibt; kräftezehrende Ereignisse legen sich immer auch auf die künstlerische Tätigkeit.

2019 habe ich ausgesprochen viel gearbeitet, und meine Ausstellungsbilanz ist auch nicht schlecht:
Eine Einzelausstellung in der Hagenring-Galerie, eine im Rahmen des Evangelischen Kirchentags 2019 (diesmal in Dortmund; meine Bilder hingen in der Versöhnungskirche Huckarde), eine in der galerie: balou in Dortmund; eine jurierte Beteiligung an einer Ausstellung in der Barmer Kunsthalle (Wuppertal), außerdem ein paar kleinere Projekte (ein Beispiel).
Ferner habe ich einiges geschrieben (im Kopf immer ein drittes Buch … ob das noch was wird?), ich war an zwei Lesungen auf dem Kirchentag beteiligt, hatte eine erste Lesebeteiligung innerhalb einer VS-Lesereihe, war, inzwischen fast „Tradition“, bei der LIT.ronsdorf dabei (im Kunsthaus Rosenthalstraße), eine Lesebeteiligung im schrill in Braunschweig (ganz besondere Atmosphäre!) und, nicht zu vergessen, der Lyrikgottesdienst mit meinen Gedichten in der Magdalenenkirche München. Und einige Gedichte von mir wurden in Anthologien veröffentlicht.

Viel Arbeit entstand auch mit „meinem“ Apsis-Projekt in der Evangelischen Kirchengemeinde Osterath. Diese gab einen (Kunst-)Katalog über die letzten neun Jahre heraus, an dessen Entstehung ich beteiligt war.

Und Postkarten (oder Miniaturen), vor allem Engel, aber auch einige andere Motive. Ja, die haben sich wirklich gut verkauft. Aber gemessen an all dem Aufwand, ist die finanzielle Bilanz des Jahres nicht besonders, was mich mitunter ziemlich belastet. Ich hoffe, dass 2020 wieder etwas einträglicher wird, dass ich wieder mehr Aufträge erhalte, so wie 2017 und 2018. Meine Rente wird ohnehin nicht hoch sein, und ich hoffe sehr, dass sie nicht noch auf der Zielgeraden durch schrumpfende Einnahmen dezimiert wird. Wenn man so ein arbeitsreiches Jahr hinter sich hat, ist das schon eine etwas bittere, nagende Hoffnung.
Vier Kinder ins Erwachsenenalter zu bringen, ist eben eine Aufgabe, die nicht unbedingt kompatibel ist mit beruflicher Flexibilität. Ich habe früher einmal darüber geschrieben, welche „Berufe“ man als Mutter können muss … alles sehr lobenswert, aber danach hat man alles und nichts vorzuweisen. Das macht mir schon einen gewissen Kummer, besonders weil ich ja nie aufgehört habe, meinen gelernten Beruf auszuüben. Aber ein paar Wochenstündchen machen den „Kohl eben nicht fett.“

Über das große Ganze äußere ich mich hier nie, Politik und Weltgeschehen sind einfach zu komplex. Dennoch möchte ich sagen:
Ich wünsche mir sehnsüchtig Frieden, in der Welt – und in der Alltagswelt. Wenn ich das Kämpfen und Keifen in den Internet-Foren beobachte (und in die richtig „schlimmen“ schaue ich gar nicht erst), wird mir angst und bange. Nur Abkotzen über irgendwas hat noch nie weiter geführt, zumal es ja ganz offenbar nie das reinigende Gewitter ist, das sich viele vielleicht erhoffen. Es blitzt und donnert weiter, jeden Tag. Was wollen wir damit eigentlich bezwecken? Dauermobbing gegenüber dem Segment der Menschheit, das gerade nicht die eigene Meinung teilt? Es gibt viele Themen, deren Behandlung mir bös aufgestoßen ist, von der Seenotrettung bis zur Abtreibung – vergleichsweise harmlos ist da vielleicht das hässliche Abschnoddern über Homöopathie und vegane Speisepläne. Die Ekligkeiten, mit denen man Sprache versehen kann, finde ich allerdings in keinem Fall harmlos. Kann man nicht einfach mal einsehen, dass jeder Mensch, der vegan lebt, seinen klimaschädlichen Fußabdruck schrumpfen lässt? Und kann man nicht einfach die Apotheke besuchen, die einem kein homöopathisches Mittel auf den Ladentisch legt, wenn man Halskratzen hat? (Ich weiß jedenfalls, welche ich da wählen muss, und es kann doch nicht sein, dass ich da die Einzige bin). Ich wundere mich, dass auch liebe, nette, aus meiner Sicht vernünftige Menschen nicht müde werden, Ihre aggressive Furcht mit harschen Worten zu umschreiben und das dann genüsslich zu posten. Wozu?
Da lobe ich mir den Vater, der wirklich für Fleischernes zu haben ist und leidenschaftlich gern entsprechend kocht, sogar selbst räuchert – aber seiner veganen Tochter liebevoll was ohne Tier zaubert. Ist das nicht schön? (Es gibt ihn wirklich, aber seinen Namen nenne ich hier natürlich nicht). Ich kann mir nicht vorstellen, dass er seine vegane Kochkunst mit doofen Bemerkungen serviert, sondern bin überzeugt, dass er es einfach macht. Einfach macht. Uns allen einfach macht. Können wir das nicht auch so ähnlich angehen? Uns freuen, wenn es den Menschen um uns herum gut geht, wenn ihre Kopfschmerzen verschwunden sind – egal, was sie dagegen genommen oder gemacht haben. Wir haben den ungeheuren Luxus, zwischen Schmerztabletten, Globuli, Wärmelampe und Drei-Tage-Schlafen wählen zu können (jaja, für Letzteres braucht man ein Attest oder Urlaub, aber auch da haben wir völlig andere Möglichkeiten als vor hundert Jahren). Oder noch mehr.

Und solchen Komfort zu schätzen, friedlich damit umzugehen … das wünsche ich mir. Er wird irgendwann weniger werden, davon bin ich überzeugt; aber gerade deshalb ist es großer Blödsinn, lauthals zu meckern, solange wir die Riesenauswahl noch haben. Noch gibt es so viel Fleisch, billiges und teures, dass die Betont-Nichtveganen hierzulande dreimal übersatt werden können. Noch gibt es freie Arzt- und Apothekenwahl. Und so weiter. Ich glaube noch immer daran, dass zufriedene Menschen wirklich fried-lich sein können. Der Stachel der Unzufriedenheit sitzt vielleicht gar nicht so tief wie man meint.

Zurück zur Kunst: Auch da weiß ich die Riesenmöglichkeiten zu schätzen. Ich liebe es, im Pool der Möglichkeiten zu angeln (vielleicht auch hin und wieder zu schwimmen). Mit Kohlestaub Pinselzeichnungen zu machen, Fotopapier zu bemalen oder hineinzuritzen, getrocknete Teebeutel als Malgrund zu nehmen … mich fasziniert die Transformation, die Umdeutung, die Permutation, die unendliche Variationsbreite, das Sich-Hineinwagen ins Unbekannte. Genauso die Arbeit mit Sprache: Wörter, die man mit sich trägt, und die – ganz gegen die Naturgesetze – leichter werden, wenn sich ihr Bestand vergrößert. Dieses Sprudelnde, wenn eine Gedichtzeile entsteht, und das mit „Material“, das man nicht kaufen muss, sondern das jedem und jeder zur Verfügung steht. Inspiration und Kreativität sind wunderbar, und ich denke, man lebt damit friedlicher.

Und so bin ich gedanklich schon wieder weg von meiner kümmerlichen Rente; vielleicht habe ich ja das Glück, bis zum Lebensende arbeiten zu können. Vielleicht kriege ich mein drittes, viertes, fünftes Buch noch hin, mag sein, dass dies und das auch noch klappt. Es gibt noch so viel zu tun …

In diesem Sinne wünsche ich allen ein gutes, gesundes und fröhliches 2020.

Marlies Blauth

P. S. Ein paar Tage nach meinen obigen Notizen ergoss sich der Shitstorm wegen der "Umweltsau" ins Internet. Schon wieder so eine hässliche Empörungswelle; ich will das nicht.




Altarraum der Magdalenenkirche in München mit meinem Bild „Maria in der S-Bahn“.




Lesung im schrill, Braunschweig




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