Mittwoch, 10. August 2022

#Herbarium Tagebuch | 14

 




 

Am Kurpark – die Christuskirche Königsborn

 

Ja, Unna-Königsborn war einmal Kurort, sogar zeitweise ein sehr beliebter. Es gab einen Solebrunnen, man gewann Salz. Der Kurpark soll „üppig ausgestattet“ (Wikipedia) gewesen sein. Das erhaltene Musentempelchen (Monopteros) und Reste typischer Kurort-Architektur lassen ahnen, wie es früher hier ausgesehen hat.

Königsborn musste, sozusagen, durch die Quadratur des Kreises, indem es florierenden Kurbetrieb und Industrialisierung – Steinkohleabbau – gleichzeitig erlebte. Die Nähe zum Ruhrgebiet oder besser: selbst ein Ausläufer dieses Industriegebiets zu sein, hat dem Kurort vermutlich den Garaus gemacht. Nun gibt es beides nicht mehr.

Im Kurpark, der ja keiner mehr ist, aber doch noch so heißt, findet sich ein Wegweiser: zur Christuskirche. Genau da will ich hin, diesmal mit einem Termin. Die Kirche liegt idyllisch am Rande des Parks, fast noch im Grünen. Wellness – für die Seele – fällt mir ein, und Warmherzigkeit. Die Kirchentüren stehen einladend offen.







Der Eindruck der Warmherzigkeit wächst, denn das Innere der Kirche ist ein „Seelenraum“. Auf den Bildern der großen Jugendstilfenster Jesus, der sich um die Kinder, die Kranken, die Traurigen kümmert, vorn an der Orgel ein Fenster mit elfengleichen Engelgestalten; abstrakt-florale Formen in zahlreichen Blautönen. Überhaupt viel Blau, auch an den Wänden; dort allerdings dezenter, so dass der Grundton nicht kalt wirkt. Ich fühle mich eingeladen, aufgenommen, eingehüllt – die Kirche wirkt kleiner, als sie ist, irgendwie rundlich, gemütlich. Vermutlich ist der „gedrungene“ Grundriss die Ursache.

 











Der Architekt Arno Eugen Fritsche hat übrigens auch die Immanuelkirche in Dortmund-Marten entworfen (Christuskirche Königsborn: Einweihung 1905, Immanuelkirche: 1908) Dort, so erzählt mir die freundliche Küsterin, habe man vieles so haben wollen wie hier. Ja, ich erinnere mich: die Jesus-Fenster, das Engel-Fenster … nur alles „in größer“, nicht zurückhaltend wie hier.

1952, man kennt es schon, wurden die floralen Dekorationen übermalt. Um 2011 wurden sie wieder hergestellt. (Mich interessiert die „Psychologie“ der 50er Jahre ja immer mehr – Neuanfang wie auf einer „weißen Leinwand“, Bauhaus-Einfluss usw. Aber warum musste man das, was doch nun erhalten geblieben war, mit weißer Farbe zerstören?)


 








Schade, dass sie, zurzeit jedenfalls, keine Offene Kirche ist; es gibt ja leider auch keine Kurgäste mehr, die durch den Park zur Kirche flanieren könnten. Die Autos auf der Hauptstraße fahren alle vorbei. Vermutlich weiß kaum jemand, dass sich hinter der Fassade eine Jugendstil-Perle befindet.

 

Marlies Blauth | 5. August 2022

Text und Fotos © Marlies Blauth

 

 

P. S. Es treibt mir Tränen in die Augen, was mit einer anderen Kirche des Architekten Fritsche gerade passiert: hier

 

 

 

 

 


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