Kunst ist schön. Wenn sie sich anpasst.
Geplant war eine Ausstellung im Wohnzimmer.
Das hatte ich irgendwann schon einmal gemacht (weiß allerdings nicht mehr, wo,
weil ich solche – eher privaten – Orte nicht in meiner Vita festhalte). Das
kann gemütlich sein, mit netten, interessierten Leuten. Daher hatte ich mich nun
bei Herrn X. gemeldet, von dem ich wusste, dass er Kunst und KünstlerInnen „sucht“. In einem Ort irgendwo im Osten von Nordrhein-Westfalen.
Das erste Telefongespräch lief ganz okay, auch
wenn da schon winzigkleine Hinweise aufleuchteten, dass das alles nix wird.
Aber nun bin ich keine Berufsskeptikerin, außerdem habe ich in 30 Jahren
Ausstellungstätigkeit gelernt, dass die Bedingungen, das Umfeld, die
beteiligten Personen und Persönlichkeiten jedesmal völlig anders sind. Das
Paradies existiert auf Erden nicht, die Geschmäcker sind verschieden und die
Art und Weise, wie Ausstellungen gesehen und organisiert werden, sowieso.
Herr X. schaute im Internet nach meinen Arbeiten und befand sie für gut.
Alles ganz normal. Wir machten einen Termin
aus; daselbst, nicht etwa in meinem Atelier. Letzteres ist natürlich schöner,
weil ich dann alles ausbreiten kann. Aber es ist nicht die Regel.
Da ich mit dem Zug hinfuhr, konnte ich nur
zwei kleinere Arbeiten mitnehmen. Bei der Auswahl – die Psyche ist ein feiner
Oszillograf – tat ich mich außergewöhnlich schwer, entschied mich dann für zwei Exemplare, die typisch für meine Arbeitsweise sind, also mit dem korrelieren, was man im Netz am
leichtesten findet (meine Landschaften). Zarteste Blau- und Gelbtöne.
„Das würde ich jetzt nicht präferieren,“ war
ein Lieblingsausdruck von Herrn X.
„Sind ja nur zwei Beispiele, damit Sie meine Arbeitsweise mal sehen. Es gibt soooo viele Möglichkeiten, in meinem Atelier befindet sich eine reiche Auswahl.“ Ich reagierte mit einer Mischung aus kindlichem Trotz im Tonfall und Überkorrektseinwollen; das ist immer schon schlecht.
„Sind ja nur zwei Beispiele, damit Sie meine Arbeitsweise mal sehen. Es gibt soooo viele Möglichkeiten, in meinem Atelier befindet sich eine reiche Auswahl.“ Ich reagierte mit einer Mischung aus kindlichem Trotz im Tonfall und Überkorrektseinwollen; das ist immer schon schlecht.
Und irritiert nahm ich wahr, dass Herr X. sich
überhaupt nicht für irgendwelche künstlerischen Nuancen interessierte, vor
allem nicht für irgendein „Dahinter“: Sein Horizont schien bei Begriffen wie Acrylmalerei zu enden. Er fand auch
nichts schön, zumindest nicht von mir, und Humor hatte er auch nicht. Alles wurde daraufhin abgecheckt, ob es ins
Wohnzimmer passte.
Und das war ein Fall für sich. Durchgestylt wie
in einem hochpreisigen Möbelladen, allerdings, so wollte mir scheinen, nicht
mehr wirklich aktuell. 90er Jahre vielleicht – oder auch davor. Die vorherrschende
Farbe war Grün, RAL 6032 würde ich sagen (oder auch Signalgrün). Also ich,
dachte ich mir, würde ja dann gleich am Telefon sagen, dass „wir“ farblich
ziemlich festgelegt sind. Dass die KünstlerInnen am besten schwarz-weiße
Arbeiten zeigen, „präferiert“ mit breiten Passepartouts, denn: jede Wand hatte
eine anders gemusterte Tapete. Wie gesagt, durchaus komponiert, nicht
zusammengeschustert. Aber die Kunst konnte nur die zweite Geige spielen, wenn
überhaupt. Vielleicht war sie auch nur die Triangel im ästhetischen Orchester.
Das wäre vielleicht gar nicht so tragisch
gewesen; schwarz-weiße Arbeiten gibt’s von mir satt, und RAL 6032 hätte vielleicht eine neue Herausforderung sein können; warum nicht. Meine Arbeit in
Serien verlangt durchaus mal einen Ausreißer.
Aber Herr X. saß so humorfrei im Sessel … und
alle meine, zugegeben etwas assoziativen, Vorschläge wurden wenn nicht
abgelehnt, so doch schwer gedämpft. Ich sehe eine Wand, eine Umgebung, und
entwickle gleich Ideen. Auch wenn sie, wie hier, außergewöhnlich ist und nicht
unbedingt „meins“. Aber ich stelle mich drauf ein. (Schlimmer als die alte
fiese Fabrikhalle, in deren bröseligen Wänden kein Nagel da blieb, wo er sollte,
so dass sämtliche Höhen- und Abstandsmessungen für die Katz‘ waren, geht ja
kaum; und auch das kriegten wir irgendwie hin).
Die einen Bilder waren Herrn X. zu klein, die
anderen dem Umfeld zu ähnlich. Mit Kontrasten durfte man aber auch nicht
kommen: „Das würde ich jetzt nicht präferieren.“
Ich fühlte mich mal wieder wie die eierlegende
Wollmilchsau, diesmal in Signalgrün eingefärbt.
Herr X. – von Gottes Gnaden – akzeptierte schließlich
eine Arbeitsreihe, von der ich unter Garantie nichts verkaufen würde. Sie hätte
optisch gepasst, ja, aber eine „Acrylmalerei“-Klientel würde vermutlich nur rumbrummeln
„Ist ja mit Fotos“. Heißt: Kann doch jeder.
Aber verkaufen müsste ich eben doch was. Immer
nur ehrenamtlich oder „für schön“ (sagte mal eins meiner Kinder, im
Kleinkindalter), das kann ich mir nicht leisten.
Vielleicht hätte ich trotzdem noch halbwegs gern angebissen, wenn
Herr X. etwas Begeisterung gezeigt
hätte. Wenn er gesagt hätte: So etwas habe ich mir schon lange mal gewünscht,
einfach toll, die Arbeiten! – Aber nein, er akzeptierte sie nur.
Nach Hause fuhr ich mit der pragmatischen
Ansicht, dass eine Präsentation im giftgrünen Wohnzimmer immer noch besser ist,
als wenn die Bilder, mit Luftblasenfolie umwickelt, in meinem Atelier
rumstehen: Sichtbarsein ist allemal besser als Unsichtbarsein.
Aber die Seele ist, wie gesagt, ein wunderbar feiner
Indikator: Seit langem bekam ich einen Anflug von Migräne. Das deutet auf
Stress. Und da ich an diesem Tag sonst keinen hatte, außer diesem blöden
Gespräch mit Herrn X. vor brüllgrüner Wand, wurde ich skeptisch. Aber ich war
immer noch willens, den Wohnzimmervertrag auszufüllen und abzuschicken.
Bis ich das Ganze eher lapidar meinem Sohn
erzählte, eher so unter dem Aspekt, was es für verschrobene Leute gibt. Ich erzählte von dem "blutleeren" Herrn X. und konnte im übrigen noch mit einigen Fragezeichen aufwarten, die ihn betrafen. Unter
anderem war er unglaublich zugeknöpft, als ich nach seinem beruflichen
Hintergrund fragte. Man könnte doch einfach sagen: Lehrer. Maurer. Ich hab' ne Entsorgungsfirma. Musiker.
Mein Sohn meinte nur: Klingt nicht vertrauenerweckend. Lasset sein.
Mein Sohn meinte nur: Klingt nicht vertrauenerweckend. Lasset sein.
Recht hat er. Sollen sich andere Künstler mit
giftigen Tönen abplagen. Für mich gibts allemal schönere Perspektiven. Ich
freue mich auf eins: auf weiße Wände! Und auf (und über) alle Menschen, die ich
mit meiner Kunst begeistern kann!
Marlies Blauth
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