Mittwoch, 23. August 2017

Kunst ist schön ... wenn sie sich anpasst! [Glosse]













Kunst ist schön. Wenn sie sich anpasst.


Geplant war eine Ausstellung im Wohnzimmer. Das hatte ich irgendwann schon einmal gemacht (weiß allerdings nicht mehr, wo, weil ich solche – eher privaten – Orte nicht in meiner Vita festhalte). Das kann gemütlich sein, mit netten, interessierten Leuten. Daher hatte ich mich nun bei Herrn X. gemeldet, von dem ich wusste, dass er Kunst und KünstlerInnen „sucht“. In einem Ort irgendwo im Osten von Nordrhein-Westfalen. 

Das erste Telefongespräch lief ganz okay, auch wenn da schon winzigkleine Hinweise aufleuchteten, dass das alles nix wird. Aber nun bin ich keine Berufsskeptikerin, außerdem habe ich in 30 Jahren Ausstellungstätigkeit gelernt, dass die Bedingungen, das Umfeld, die beteiligten Personen und Persönlichkeiten jedesmal völlig anders sind. Das Paradies existiert auf Erden nicht, die Geschmäcker sind verschieden und die Art und Weise, wie Ausstellungen gesehen und organisiert werden, sowieso.

Herr X. schaute im Internet nach meinen Arbeiten und befand sie für gut.
Alles ganz normal. Wir machten einen Termin aus; daselbst, nicht etwa in meinem Atelier. Letzteres ist natürlich schöner, weil ich dann alles ausbreiten kann. Aber es ist nicht die Regel.

Da ich mit dem Zug hinfuhr, konnte ich nur zwei kleinere Arbeiten mitnehmen. Bei der Auswahl – die Psyche ist ein feiner Oszillograf – tat ich mich außergewöhnlich schwer, entschied mich dann für zwei Exemplare, die typisch für meine Arbeitsweise sind, also mit dem korrelieren, was man im Netz am leichtesten findet (meine Landschaften). Zarteste Blau- und Gelbtöne.

„Das würde ich jetzt nicht präferieren,“ war ein Lieblingsausdruck von Herrn X. 

„Sind ja nur zwei Beispiele, damit Sie meine Arbeitsweise mal sehen. Es gibt soooo viele Möglichkeiten, in meinem Atelier befindet sich eine reiche Auswahl.“ Ich reagierte mit einer Mischung aus kindlichem Trotz im Tonfall und Überkorrektseinwollen; das ist immer schon schlecht.
Und irritiert nahm ich wahr, dass Herr X. sich überhaupt nicht für irgendwelche künstlerischen Nuancen interessierte, vor allem nicht für irgendein „Dahinter“: Sein Horizont schien bei Begriffen wie Acrylmalerei zu enden. Er fand auch nichts schön, zumindest nicht von mir, und Humor hatte er auch nicht. Alles wurde daraufhin abgecheckt, ob es ins Wohnzimmer passte.

Und das war ein Fall für sich. Durchgestylt wie in einem hochpreisigen Möbelladen, allerdings, so wollte mir scheinen, nicht mehr wirklich aktuell. 90er Jahre vielleicht – oder auch davor. Die vorherrschende Farbe war Grün, RAL 6032 würde ich sagen (oder auch Signalgrün). Also ich, dachte ich mir, würde ja dann gleich am Telefon sagen, dass „wir“ farblich ziemlich festgelegt sind. Dass die KünstlerInnen am besten schwarz-weiße Arbeiten zeigen, „präferiert“ mit breiten Passepartouts, denn: jede Wand hatte eine anders gemusterte Tapete. Wie gesagt, durchaus komponiert, nicht zusammengeschustert. Aber die Kunst konnte nur die zweite Geige spielen, wenn überhaupt. Vielleicht war sie auch nur die Triangel im ästhetischen Orchester.

Das wäre vielleicht gar nicht so tragisch gewesen; schwarz-weiße Arbeiten gibt’s von mir satt, und RAL 6032 hätte vielleicht eine neue Herausforderung sein können; warum nicht. Meine Arbeit in Serien verlangt durchaus mal einen Ausreißer.

Aber Herr X. saß so humorfrei im Sessel … und alle meine, zugegeben etwas assoziativen, Vorschläge wurden wenn nicht abgelehnt, so doch schwer gedämpft. Ich sehe eine Wand, eine Umgebung, und entwickle gleich Ideen. Auch wenn sie, wie hier, außergewöhnlich ist und nicht unbedingt „meins“. Aber ich stelle mich drauf ein. (Schlimmer als die alte fiese Fabrikhalle, in deren bröseligen Wänden kein Nagel da blieb, wo er sollte, so dass sämtliche Höhen- und Abstandsmessungen für die Katz‘ waren, geht ja kaum; und auch das kriegten wir irgendwie hin).

Die einen Bilder waren Herrn X. zu klein, die anderen dem Umfeld zu ähnlich. Mit Kontrasten durfte man aber auch nicht kommen: „Das würde ich jetzt nicht präferieren.“
Ich fühlte mich mal wieder wie die eierlegende Wollmilchsau, diesmal in Signalgrün eingefärbt.

Herr X. – von Gottes Gnaden – akzeptierte schließlich eine Arbeitsreihe, von der ich unter Garantie nichts verkaufen würde. Sie hätte optisch gepasst, ja, aber eine „Acrylmalerei“-Klientel würde vermutlich nur rumbrummeln „Ist ja mit Fotos“. Heißt: Kann doch jeder.
Aber verkaufen müsste ich eben doch was. Immer nur ehrenamtlich oder „für schön“ (sagte mal eins meiner Kinder, im Kleinkindalter), das kann ich mir nicht leisten.

Vielleicht hätte ich trotzdem noch halbwegs gern angebissen, wenn Herr X. etwas Begeisterung gezeigt hätte. Wenn er gesagt hätte: So etwas habe ich mir schon lange mal gewünscht, einfach toll, die Arbeiten! – Aber nein, er akzeptierte sie nur.

Nach Hause fuhr ich mit der pragmatischen Ansicht, dass eine Präsentation im giftgrünen Wohnzimmer immer noch besser ist, als wenn die Bilder, mit Luftblasenfolie umwickelt, in meinem Atelier rumstehen: Sichtbarsein ist allemal besser als Unsichtbarsein.

Aber die Seele ist, wie gesagt, ein wunderbar feiner Indikator: Seit langem bekam ich einen Anflug von Migräne. Das deutet auf Stress. Und da ich an diesem Tag sonst keinen hatte, außer diesem blöden Gespräch mit Herrn X. vor brüllgrüner Wand, wurde ich skeptisch. Aber ich war immer noch willens, den Wohnzimmervertrag auszufüllen und abzuschicken.

Bis ich das Ganze eher lapidar meinem Sohn erzählte, eher so unter dem Aspekt, was es für verschrobene Leute gibt. Ich erzählte von dem "blutleeren" Herrn X. und konnte im übrigen noch mit einigen Fragezeichen aufwarten, die ihn betrafen. Unter anderem war er unglaublich zugeknöpft, als ich nach seinem beruflichen Hintergrund fragte. Man könnte doch einfach sagen: Lehrer. Maurer. Ich hab' ne Entsorgungsfirma. Musiker. 
Mein Sohn meinte nur: Klingt nicht vertrauenerweckend. Lasset sein.

Recht hat er. Sollen sich andere Künstler mit giftigen Tönen abplagen. Für mich gibts allemal schönere Perspektiven. Ich freue mich auf eins: auf weiße Wände! Und auf (und über) alle Menschen, die ich mit meiner Kunst begeistern kann!


Marlies Blauth




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