Idyllisch am Hang gelegen – mit
Schlangen und Schnecken
Die Christuskirche in Schlangenbad
Diese Kirche kannte ich längst, vielleicht hat sie das Thema meines Projekts sogar mitgeprägt, wer weiß?
Ich hatte aber nie ausführliche
Fotos gemacht. Das darf ich jetzt, nach dem Gottesdienst. Ein bisschen beeile
ich mich, denn eine offizielle Öffnungszeit gibt es hier – leider – nicht. Erfahre,
dass die Ausmalung von 1912 kürzlich restauriert wurde und dass, oh karge 60er
Jahre, ein Teil davon zeitweise hell übertüncht war – wie so oft. Nun ist aber
alles wieder so, wie es sein soll(te). Architektur und Malerei bilden ein Ganzes,
verstärken einander.
Immer wieder schaue ich auf
liebevolle Details. So sehr ich verstehe, dass es auch das Bedürfnis nach
Klarheit und Stringenz gibt, so bin ich andererseits davon überzeugt, dass der
Mensch auch gern immer wieder Neues entdecken mag. Vor allem Kinder sehen in Wandflecken
oder sonstigen Unebenheiten oftmals Gestalten und Muster, es scheint so, als
wolle sich das Auge irgendwo „einhaken“, wie zum Protest gegen die Monotonie.
Der Jugendstil ging
spielerisch mit Formen und Farben um, entlehnte vieles aus dem Bereich der
Natur und schuf – gleichsam zur Zähmung oder als Gegenpol zum Wildwuchs – so „verlässliche“
wie unendlich-gedachte Ornamente, deren Einzelelemente immer wieder anders
gesehen, ja fokussiert werden können, je nach Standpunkt, Beleuchtung oder auch
innerer Gestimmtheit. Das Individuelle, das Individuum ist also immer aktiv dabei.
Auf dem Bogenfries über dem
Haupteingang befinden sich, neben verwobenen Bandmotiven und floralen Elementen,
auch ein paar Tiere. Eine Schnecke ist dabei (nicht nur das Haus, das mit seiner
Spiralwindung als Symbol der Unendlichkeit gilt, sondern auch der
Schneckenkörper) und eine Schlange, die – durchaus biologisch korrekt, wie man
im Ort Schlangenbad wohl mitunter beobachten kann – eine Eidechse um-schlingt
oder auch ver-schlingt. Der Hinweis auf das hiesige Vorkommen der Äskulapnatter
findet sich auch an der Eingangstür: Eine sich windende Schlange aus Metall
dient als Türgriff.
Das Innere ist mit abstrakten Formen, Sternen-Variationen, pflanzlichen Motiven und auch figürlichen Szenen ausgemalt. Das tiefe, leuchtende Blau bietet zusammen mit Gelb- und Goldtönen (und ein paar wenigen Grün- und Rotsprenkeln) einen freundlichen Empfang und eine warme, fröhliche Raumatmosphäre.
Während ich herumlaufe und
fotografiere, fragt mich der Lektor aus dem Gottesdienst: „Möchten Sie nicht
auch mal fotografiert werden?“ Ich lache und finde seine Idee nett, also auch
irgendwie herzerwärmend – und gebe ihm für einen Moment meine Kamera.
Und dann drücke ich die Schlangen-Türklinke herunter und gehe: Tschüs, du Kirchlein. Mögest du noch lange Freundlichkeit ausstrahlen.
Marlies Blauth | 18. April
2023
Text und Fotos © Marlies Blauth
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