Mutter Künstlerin
Bekanntlich habe ich meine Kinder ziemlich spät bekommen. Das
passte sehr gut in meinen Lebenslauf – hatte ich doch schon als Jugendliche sehr
richtig festgestellt, dass ich entweder ganz früh oder ganz spät Mutter werden
will, aber sicher nicht „in der Mitte“, wenn ich gerade in meinen Beruf
eingestiegen bin. Ich wusste: Mein Herz hängt am Tropf der Kunst, daran wird sich
auch nichts ändern. In allen Lebenslagen, wenn immer meine Gesundheit es
zulässt, würde ich Kunst (weiter) machen.
Dass es mitunter zeitliche Einschränkungen geben würde, war mir klar.
„In den Biografien von Künstlerinnen gibt es vielfach Brüche und Phasen von
künstlerischer Auszeit“ – so ähnlich las ich es kürzlich in einem Textentwurf
einer Künstlerinnenvereinigung. Ja, es wäre schön, sich schlicht an diesen
Gedanken zu gewöhnen. Es ist einfach
so. Zwar habe ich nie eine wirkliche Auszeit genommen, aber meine Zehnstunden-Arbeitstage
von zuvor waren mit der Geburt meines ersten Kindes eindeutig passé, weder
Nachtarbeit noch externe Kinderbetreuung konnten diese Zeit zurückholen.
Nun kenne ich meine Stärken – ich kann mich „anpassen“ durch
Improvisation, ja, es macht mir sogar Spaß, auf veränderte Gegebenheiten zu
reagieren (sofern sie nicht katastrophal sind).
Ich denke, genau das gehört sogar mit zum Wesen der Kunst: unter Einfluss zu stehen und dabei Einfluss zu nehmen. Den Fluss nicht anzuhalten, sondern sich Gedanken über seinen Verlauf zu machen, das Flussbett mitzugestalten, Stauwerke zu bauen oder abzutragen – wohin man eben fokussieren mag. Das sieht heute zwangsläufig anders aus als morgen, bei aller Bewahrung des Bewährten.
Ich denke, genau das gehört sogar mit zum Wesen der Kunst: unter Einfluss zu stehen und dabei Einfluss zu nehmen. Den Fluss nicht anzuhalten, sondern sich Gedanken über seinen Verlauf zu machen, das Flussbett mitzugestalten, Stauwerke zu bauen oder abzutragen – wohin man eben fokussieren mag. Das sieht heute zwangsläufig anders aus als morgen, bei aller Bewahrung des Bewährten.
Also vertraute ich mir selbst – irgendwie so „ich werde das Kind
schon schaukeln“ – und habe mich, jetzt kann ich ja resümieren, auch nicht
enttäuscht: Ich bin mit meinem „Lebenswerk“ zufrieden, vier Kinder großgezogen
zu haben. Manches aus dem Strauß der Bedingungen war auch sehr gut und passend,
anderes hat mich ziemlich irritiert. Vor allem ließ mich das Umfeld – ganz unerwartet;
nicht immer, aber viel zu oft – von der erfahrenen Künstlerin zur unerfahrenen
Mutter mutieren. War es schon nicht einfach gewesen, in einer Familie, die
nichts „mit Kunst am Hut“ hatte, Akzeptanz zu gewinnen, so musste ich gleichsam
wieder von vorn anfangen. Ich hatte durchaus meine pädagogischen Vorstellungen,
aber: Von der Stillzeit zur Ernährung, vom Kindergarten-Blabla bis zur
Schulwahl – aus allen Richtungen schlug guter Rat auf mich ein, auf den ich so
gern verzichtet hätte (denn, Leute: ich bin fähig zu fragen, wenn ich was wissen will! Man muss mir eigentlich nichts
unterschieben, was ich gar nicht wissen will).
Mein Mann befand sich im Übervollzeitberuf und erlebte es sehr beruhigend festzustellen, dass ich fürs Kinderauf-/erziehen irgendwie geeignet war. Allein meine Mutter erwies sich als Seelenbegleiterin, und ich bin ihr heute noch dankbar: „Du machst das schon richtig, lass die doch alle quatschen!“, sagte sie manchmal, wenn meine Stimmung gerade down war wegen der heftigen Besserwisserei. Und ja, ich war tatsächlich zur Vollzeit-Mutter und Teilzeit-Künstlerin gemacht geworden, das musste mir beinahe jeder – warum auch immer – unter die Nase reiben. Das Zusammenfließen biografischer Gegebenheiten (so meine Sichtweise) scheint da nur eine winzige Rolle zu spielen, während das Einordnen in Schubladen offenbar eine beliebte Disziplin ist. Ich denke in Schnittmengen, verbinde gern unverbunden scheinende Aspekte, kann meine künstlerische Erfahrung vielfach im Alltag unterbringen (und umgekehrt natürlich auch): ich war und bin Künstlerin, die Mutter wurde – keine Mutter, die irgendwo noch ein bisschen kreativ rumpusselt.
Mein Mann befand sich im Übervollzeitberuf und erlebte es sehr beruhigend festzustellen, dass ich fürs Kinderauf-/erziehen irgendwie geeignet war. Allein meine Mutter erwies sich als Seelenbegleiterin, und ich bin ihr heute noch dankbar: „Du machst das schon richtig, lass die doch alle quatschen!“, sagte sie manchmal, wenn meine Stimmung gerade down war wegen der heftigen Besserwisserei. Und ja, ich war tatsächlich zur Vollzeit-Mutter und Teilzeit-Künstlerin gemacht geworden, das musste mir beinahe jeder – warum auch immer – unter die Nase reiben. Das Zusammenfließen biografischer Gegebenheiten (so meine Sichtweise) scheint da nur eine winzige Rolle zu spielen, während das Einordnen in Schubladen offenbar eine beliebte Disziplin ist. Ich denke in Schnittmengen, verbinde gern unverbunden scheinende Aspekte, kann meine künstlerische Erfahrung vielfach im Alltag unterbringen (und umgekehrt natürlich auch): ich war und bin Künstlerin, die Mutter wurde – keine Mutter, die irgendwo noch ein bisschen kreativ rumpusselt.
Und dieses, letztere, Etikett bin ich zeitlebens nicht mehr richtig
losgeworden. Nur da, wo ich meine Kinder „verschweige“ (bzw. sie plötzlich helfend – beim Ausstellungsaufbau beispielweise – auftauchen), bin ich immer
noch die Vollblut-Künstlerin. Da haftet mir nirgendwo an, nur „halbe Sachen“ zu
machen. Komisch, nicht?
Ich war also nicht nur mit Kindern schwanger, sondern immer mit
Ideen und auch mit Worten: Die Geburt meines ersten (veröffentlichten) Gedichts
war 2006. Wann immer es möglich war, schrieb ich – vielleicht, weil das „technisch“
weniger aufwändig ist als das Malen. Manchmal ist die Disziplin (im Sinne der
künstlerischen Kategorie) gar nicht so wichtig – die „andere“ Disziplin
hingegen, die Ausdauer, das Dranbleiben, sehr. Bis heute schreibe ich am liebsten
im Zug. Damals war es eine seltene Ruhe-Nische für mich, Zeit, die ausgenutzt
werden wollte – und immer noch habe ich die besten Ideen unterwegs. Diese
Nische der Ruhe bezieht sich, wohlgemerkt, nicht bloß auf die Kinder. So sehr
ich es genoss, mal nicht „erziehen“ zu müssen, so frei fühlte ich mich
gleichzeitig von all den Menschen, die ständig meinten, mich ins Banale
reinziehen zu müssen, mir Sorgen zuwarfen, die ich eigentlich gar nicht hatte („Was
wirst du denn mal machen, wenn …“, „Denkst du denn gar nicht darüber nach, dass
…“, „Esst ihr denn auch einmal am Tag warm?“).
Das alles bewahrte mich natürlich nicht davor, in manchen Augen
nach wie vor die Bastelmama zu sein … die jetzt auch noch schreibt. Meine
Mutter hält getreulich dagegen – „Du machst das schon richtig …“, ruft sie mittlerweile
aus der Ewigkeit herüber. Und irgendjemand hat mein 2015 erschienenes Buch als
preiswürdig vorgeschlagen … daraus ist zwar nun nichts geworden, ich habe mich
aber trotzdem riesig gefreut. Weil es ein deutliches Gegenbastelargument ist.
Wirklich Karriere zu machen – der Zug ist natürlich abgefahren.
Aber ich bin an irgendeinem Bahnhof doch noch zugestiegen, sitze mit einem
Kaffee und meinem Schreib- und Zeichenzeug drin und arbeite. Wo ich aussteige,
weiß ich noch nicht. Die Fahrt ist so schön!
Künstlerische Arbeit ist Sehen, Gehen (oder Fahren …) und
Forschen. Mit Kindern ändert sich das, natürlich, nicht.
Man könnte sagen: Die „Erwachsenen“ waren schon immer das
größere Problem.
6 Kommentare:
Liebe Markise, was für ein wunderbares Statement! Bravo!
"Die Fahrt ist so schön!" Möge sie es noch lange bleiben für dich!
Herzlich, Iris
Markise? Marlies, natürlich! Immer diese Autokorrektur ... :-)
Liebe Marlies,
sehr kraftvolle und bestärkende Zeilen dafür, seinen eigenen Weg zu gehen. Sie berühren mich sehr, klingen in mir... Dankeschön von Herzen und ebensolche Grüße, Doreen
Großartige Sätze!
Ps: Danke für die Erwähnung.
Habt Dank, Ihr beiden. Ich könnte noch einiges mehr schreiben, ein Blog ist aber (aus meiner Sicht) nicht so geeignet, allzuviel Privates auszubreiten. Daher musste ich einige Aspekte weglassen, beispielsweise etwas über die Kinder selbst.
Toll geschrieben, liebe Marlies. Ich bewundere Dich sehr für DEINEN Weg.
Es ist aber auch toll, dass Du nun mehr Zeit für Dein künstlerisches Ich hast.
Alles Liebe,
Michael
Hallo Michael, ganz herzliche Grüße!
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