Mittwoch, 1. November 2017

Gedicht [mein Gott]









mein Gott
warum hab ich dich
verlassen?

eigentlich wollte ich nie
Gott | los sein
aber du sagst mir ja nichts

hab in deinem Geschichtenbuch
– Geschichtsbuch – gesichtsbuch –
gelesen + mich immer verirrt
in diesem Bilderwald

du sollst dir kein Bildnis machen …

Jungfrau, Wunderheilung
Auferstehung

so wirre Symbole
vertrage ich nicht

meine Freundin
(die mit der Krebsglatze)
lebt nicht mehr:
was kümmert mich
Jesus am Kreuz
(sie ist ja immer noch
im Grab)

Vater unser
unser Vater
hat uns verlassen
da war mein Bruder zwei

ich will ein Mutterunser
Maria mit ihrem Mantel
in dem ich mich oft
versteckt hab
war immer freundlich zu mir
aber die gehört ja nicht dazu
zu euch in diesem Dreierdings

überhaupt: die Frauen

und es hieß immer:
du sollst nicht glauben
sondern wissen
WARUM soll ich jetzt glauben?
an die Verwandlung von
Wasser → Wein → Christi Blut?

ich irre durch eine Welt
voller Zeichen
komme besser klar
wenn ich wegsehe
(und Blut trinken will ich
nicht – iiiih)

aber sonntags
hab ich immer frei
dafür lob ich dich
jetzt mal









Foto und Text: © Marlies Blauth









2 Kommentare:

Margret hat gesagt…

Nach dem Automatengedicht war ich neugierig. Zu diesem deinem GEdicht sage ich nur: Alles gesagt, was gesagt werden muss. Nicht wortgewaltig, sondern "ach, du mein Gott" - verständlich. Ein wunderbares Gedicht. Obwohl ich mit dem Wort "wunderbar" sparsam umgehe, seitdem ein Verrückter im Weißen Haus das zu allem und jedem sagt. Ich meine es wirklich großartig, dieses Gedicht, liebe Marlies.

Marlies Blauth hat gesagt…

Vielen Dank, das freut mich sehr. Denn für mich ist es ein wichtiges Thema: Wie sehen "wir" diese Traditionen heute?